Leo
Hologramm
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Manchmal hatte ich in letzter Zeit schon Angst, dass sie mich hier irgendwann durch ein Hologramm ersetzen. Das hat viele Vorteile: weniger bröckelnde Teile, weniger Falten in der Mähne und weniger Widerworte. Und schließlich macht es die Werbung ja vor, wenn ich mir die KI-generierten Bilder anschaue. Nur noch perfekte Menschen! Die Models könnten dann bei Tisch ordentlich zulangen und mein Platz wäre auf irgendeiner Versteigerungsplattform. (Löwe, geradeausblickend, deutliche Gebrauchsspuren, kein Unikat.)
Doch zum Glück ist es mit der Digitalwelt noch nicht so weit wie befürchtet. Das weiß ich, seit ein guter Freund von mir heiraten möchte. Der musste zum Amt, denn ohne beglaubigte Geburtsurkunde schließt dir kein Standesbeamter ein Trauzimmer auf. Online bekommst du den Wisch aber nicht, sagte mein Freund, der deshalb einen Tag Urlaub in einen Ausflug ins Stadthaus seiner Geburtsstadt investierte. Während er anfangs noch mit einer lebendigen Mitarbeiterin zu tun hatte, passierte das Begleichen der Gebühr an einem Automaten. Geht doch, dachte mein Freund und freute sich über die modernen Zeiten – so lange, bis er sein Handy zum Bezahlen an die Kiste hielt. Fehlanzeige, so modern war die dann doch nicht und er musste sich schnell einen analogen Zwanziger borgen, um seine Hochzeit zu retten. Als er mir das alles erzählte, rückte ich mich gemütlich auf meinem Sockel zurecht. Das Hologramm kommt frühestens in 100 Jahren.
Euer Museumslöwe
(notiert von Katja Haescher)