17.07.2020

Hausgeschichten

Was Aumund nicht mehr erlebte

Die Geschichte des Gebäudes in der Dr.-Külz-Straße 3
Blick vom Platz der Freiheit auf das Haus
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das Haus in der Dr.-Külz-Straße 3.
Viele Schweriner kennen das Haus am Platz der Freiheit vor allem als Veranstaltungsort: Im semilegen­dä­ren „Café Dr. K.“, das sich im Hochparterre befindet, spielten 20 Jahre lang regelmäßig Rockbands. Zudem wird das Haus unter anderem von Vereinen wie dem Stadt­jugendring und der RAA genutzt.

Bis 1938 befanden sich an dieser Stelle Gärten. Am 7. März 1938 kaufte Nikolaus Aumund das Grundstück, um hier ein Wohn- und Geschäftshaus bauen zu lassen. Im Erdgeschoss wollte er für seine Firma Mecklenburgischer Rundfunkvertrieb eine Werkstatt einrichten und in den oberen Etagen Wohnungen. Mit dem Rundfunk zumindest sind wir noch gar nicht so weit weg vom Rock ‘n‘ Roll.
Nachdem er im Oktober 1938 alle nötigen Genehmigungen zusammen hatte, konnte der Bau beginnen. (Zuvor gab es noch mit den Behörden ein wenig Diskussionen über die maximal zu verwendende Menge an Eisen.) Lange währte

Aumunds Vorfreude jedoch nicht, denn im Januar 1939 starb er plötzlich. Nach ursprünglicher Planung sollte das Haus am 1. Januar bereits bezugsfertig sein. Da der Bau aber auch nicht wie eigentlich geplant am 1. August 1938 starten konnte, wurde daraus nichts.

Der beauftragte Architekt Hans Stoffers verkaufte die Immobilie im Namen der Erbin Emmi Aumund im Februar 1939 an die „Neue Heimat. Gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgesellschaft der Deutschen Arbeitsfront im Gau Mecklenburg“, die das Haus in der damaligen Klagenfurter Straße 3 weiterbaute. Jedoch entstand dort, anders, als es sich Aumund vorstellte, nur eine Wohnung (für den Hausmeis­ter). In die restlichen Räume kamen Büros, die zum Teil von der „Neuen Heimat“ selbst bezogen wurden. Auch die Gauwirtschaftskammer richtete sich dort ein.

Wer sich mit Schweriner Architektur beschäftigt, stößt immer wieder mal auf Hans Stoffers. Er plante unter anderem das heutige Kaufhaus Kressmann, das Haus Mecklenburgstraße / Ecke Geschwister-Scholl-Straße und diverse Wohnbauten, zum Beispiel in der Robert-Beltz-Straße. Wer vergleicht, erkennt schnell: Das Haus in der Dr.-Külz-Straße 3 (die 1950 nach dem LDPD-Mitgründer Dr. Wilhelm Külz so genannt wurde), ist ein typischer Stoffers-Bau. „Die Fassade wird in Backstein-Rohbau hergestellt. Das Dach wird mit roten Falzpfannen eingedeckt“, führte Stoffers in seiner Baubeschreibung dementsprechend routiniert aus.

Von 1942 bis 1945 befanden sich in dem Haus dann tatsächlich Wohnungen. Nach dem Krieg zogen dort kurzzeitig Flüchtlinge ein; Gleiches gilt für die sowjetische Kommandantur und die Volkspolizei. Es folgte die KPD und, nachdem diese mit der SPD verschmolzen war, die SED. Zu dieser Zeit nannte sich das Gebäude „Bebel-Haus“. Die „Neue Heimat“, jetzt ein volkseigener Betrieb, blieb bis min­des­tens 1950 auch noch drin.
Mehrfach wurde in den nächsten Jahren an- und umgebaut. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aufstockung des Hofflügels im Jahr 1947 (die SED benötigte mehr Büroräume). Zuständiger Architekt war nämlich Erich Bentrup, der unter anderem das Gebäude des Capitols entwarf, in den 1930er Jahren aber auch den Haupttrakt der Gauleiterschule in der Schlossgarten­allee plante.

Nach der Partei mietete sich 1953 der VEB Projektierung Schwerin ein (ab 1954 das Entwurfsbüro für Hochbau Schwerin des Ministe­riums  für Aufbau). Nach mehrfacher Umstrukturierung und Umbenennung hieß der Betrieb VEB Hochbauprojektierung, als er 1967 dort auszog.
Der Speisen- und Kulturraum im Seitenflügel erhielt 1953 einen Speisenaufzug aus der Küche (gekocht und gebrutzelt wurde im Keller). 1960 oder 1961 schuf sich der Projektierungsbetrieb eine Modellbauwerkstatt, und kurz darauf wurde die Garage auf dem Hinterhof zu einem Baugrundlabor umgebaut.

Der Kreisvorstand der GST hatte ab 1965 in dem Haus seine Geschäftsräume. Wenig später war die Volkspolizei wieder da; sie richtete 1966 in der Dr.-Külz-Straße eine Wache ein. Das dazu. Kommen wir jetzt wieder auf die Jugend zurück: 1973 wurde der Dreigeschosser zum Sitz der Kreis- und der Bezirksleitung der Freien Deutschen Jugend.

Eine Einrichtung für junge Leute blieb es auch nach der Wende. Von da an Jugendhaus genannt, wurde es Anfang/Mitte der 1990er Jahre erneut umgebaut. Unter anderem befand sich für eine Weile die Schule der Künste dort. Später veranstalteten im „Café Dr. K.“ mehrere Vereine, vor allem aber „Noise and more“, Konzerte, Discos und vereinzelt auch Lesungen.

Inzwischen wird es mal wieder Zeit für Baumaßnahmen. Nach Auskunft der Stadt Schwerin, der das Haus gehört, befinden sich Fassaden und Dächer in schlechtem Zustand. Unter anderem auch Keller und Elektroanlagen müssten saniert werden. Hinzu kämen neue Rettungswege und eine Regenentwässerung im Garten. Alle Baumaßnahmen zusammen würden über eine Million Euro kos­ten. S. Krieg