19.04.2024

Hausgeschichten

Vom Waisenhaus ins Traumland

In der heutigen Bornhövedstraße befand sich viele Jahre ein Heim – an unterschiedlichen Standorten
Noch heute sind alte Bäume vor dem Haus zu finden.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: in der Bornhövedstraße 21, wo ein einstiges Waisenhaus heute als Villa „Traumland“ Kita-Kinder willkommen heißt.
 

Was war zuerst da – das Haus oder die Straße? Im Falle des einstigen Waisenhauses in der Bornhövedstraße ist anzunehmen, dass von dem Gebäude ein Impuls für dessen Umfeld ausging – zumindest erhielt die Straße, an der es stand, jetzt den Namen Waisenstraße.

1759 hatte der Geheime Kanzleirat und Leibarzt Hornhardt in Schwerin die Waisenhausstiftung gegründet. In einem ausgebauten Ziegelschauer am Hintenhof fanden 32 elternlose Kinder ein Obdach. Der so genannte Hintenhof war ein Gebäudekomplex der Schlossverwaltung, in dem Baumaterial, Geräte und Brennholz gelagert wurden. Das klingt nach wenig Luxus und vermutlich handelte es sich bei diesem heute nicht mehr existierenden Waisenhaus auch um eine einfache Unterkunft in wenig städtischer Umgebung. Noch Ende des 18. Jahrhunderts standen in der Straße zwischen heutiger Werderstraße und Werder nur acht Häuser. Der Weg war unbefestigt und selbstverständlich auch unbeleuchtet, wovon noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Anwohner „profitierten“: Sie mussten aus den genannten Gründen weniger städtische Abgaben leisten.

Doch zurück zum Waisenhaus: Die über die Stiftung hier untergebrachten Kinder wurden in den Waisenhausgärten mit Gartenarbeit und darüber hinaus in einem Werkhaus beschäftigt. Im Jahr 1867 kaufte das Emmahus-Stift das Haus in der Waisenstraße und im Jahr darauf zogen 40 Kinder ein. Allerdings war das Heim aus dem Jahr 1805 schon recht baufällig. Etwas Besseres musste her und so entstand  in den Jahren 1887/88 das neue Waisenhaus in der Waisenstraße. Die Häuserzeile öffnet sich hier zu einem grünen Innenhof, in dem ein Backsteinbau wuchs. 1937 kaufte die Stadt das Gebäude und eröffnete ein Kinder- und Säuglingsheim. Dieses befand sich bald in der Bornhövedstraße, allerdings ohne umzuziehen: 1939 wurden die Waisenstraße und deren Verlängerung zum Hintenhof unter dieser Bezeichnung zusammengefasst. Kleiner Namensexkurs: In der Schlacht bei Bornhöved in Schleswig-Holstein  brach 1227 die dänische Vorherrschaft im Ostseeraum, wozu Heinrich I., Graf von Schwerin, einen wichtigen Beitrag geleistet hatte.

1952 trat das ehemalige Waisenhaus in der Bornhövedstraße 21 als Kinderheim „Herta Lindner“ in Erscheinung – bis Juni 1981, als es auf den Großen Dreesch umzog. Das Gebäude in der Werdervorstadt allerdings blieb ein Haus der Kinder. Am 1. September 1981 öffnete ein Kindergarten mit 108 Plätzen. Seit 1993 ist hier die Kita „Villa Traumland“ in Trägerschaft des DRK zu finden. Und ganz bestimmt gehört sie zu den Kitas mit den schönsten Spielhöfen der ganzen Stadt: „Welche Kita hat schon einen eigenen Rodelberg?“, sagt Leiterin Merle Bunde. 112 Kita-Kinder werden im Traumland betreut, 66 von ihnen in der Villa. Weil die Raumstruktur aus Gründen des Denkmalschutzes nicht verändert werden darf,  stehen den einzelnen Gruppen mehrere kleine Räume zur Verfügung. Das birgt Vorteile: Es gibt Spiel- und Schlafräume, Essenräume, Räume für Bausteine und für Puppenhäuser. Perspektivisch wird es noch einmal eine grundlegende Sanierung geben, ein Termin steht allerdings noch nicht fest. Der besondere Charme der alten Villa soll dabei natürlich erhalten bleiben. „Wir arbeiten sehr gern hier“, sagt Merle Bunde und spricht auch für ihr Team. Das einstige Waisenhaus – es steckt heute voller Fröhlichkeit.

Katja Haescher