13.10.2023

Hausgeschichten

Vom Mauerbau im Mittelalter

Schwerin war einst von einem Wall umgeben – nur Reste erinnern an die einstige Befestigung
Hinter dem Gebäude des Domhofs befinden sich in der Burgstraße Reste der alten Stadtmauer.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken – diesmal hinter und auf die Stadtmauer.

Fassade heißt es im Deutschen, facciata im Italienischen, was wiederum von „faccia“ kommt – und das bedeutet Gesicht. Eine Fassade ist also das Äußere eines Gebäudes, sein Gesicht, das, was ein Ankömmling zuerst erblickt. In diesem Sinne könnte natürlich auch eine Mauer als Fassade durchgehen – und eine Stadtmauer als wichtiger Bestandteil des Gesichts einer Stadt.

Nur: Wenn es danach geht, dann ist in Schwerin von diesem Gesicht nicht viel übriggeblieben. Lediglich in der Burgstraße trotzt noch ein kleines Mauerstück den Jahrhunderten, in denen die Stadt immer weiter gewachsen ist. Schwerin ist die älteste mecklenburgische Stadt. Von Heinrich dem Löwen mit Rechten ausgestattet und so wirtschaftlich begünstigt, entwickelte sich die Siedlung. Dominiert wurde sie vom Dom, für den 1171 der Grundstein gelegt wurde. Um die Kirche herum entstanden die ersten Straßen, abgeschirmt von einem Wall mit Plankenzaun. Der Fließgraben zwischen Burgsee und Pfaffenteich auf Höhe der heutigen Mecklenburgstraße  und der Stadtgraben sorgten für eine zusätzliche natürliche Befestigung – und der Schweriner See und die Moore an seinen Ufern  schützten besser als alle Planken.
Wer sich der Stadt vom „Hohen Feld“ näherte, gelangte über die Bollbrücke durch das Schmiedetor ins Innere der Planken. Das Schmiedetor war eines von drei Stadttoren. Es befand sich ungefähr dort, wo heute das Schweriner Kunstgewerbehaus steht.

Allerdings: Die Planken reichten bald nicht mehr aus. Zum einen, weil die Stadt über die Wälle hinauswuchs, zum anderen weil hinter einem Holzzaun bei einer Belagerung das große Zittern begann.  Das war vermutlich 1322 der Fall, als die Fürsten von Werle und Pommern mit kriegerischen Absichten vor der Stadt auftauchten. Zwar zogen sie erfolglos wieder ab, aber das Bedürfnis nach einem besseren Schutz blieb. Um 1340 beendeten die Schweriner den Bau einer neuen Mauer, die – bis zu eineinhalb Meter breit – einen besseren Schutz gewähren sollte. Gleichzeitig schloss diese Mauer jetzt einen größeren Bereich ein – statt bis zur heutigen Bischofstraße reichte sie jetzt bis zum Fließgraben auf Höhe der Mecklenburgstraße. Außerdem wurde jetzt der Bereich bis zur heutigen Schloßstraße in die Befestigung einbezogen. Hier waren im 14. Jahrhundert Ritterhöfe entstanden, die sich bis an das Franziskaner-Kloster herangeschoben hatten. Die Brüder des von Franz von Assisi gegründeten Ordens hatten sich zwischen 1232 und 1235 in der Stadt niedergelassen und wurden hier zu beliebten Seelsorgern. Das prosperierende Kloster befand sich in der heutigen Schloßstraße ungefähr auf Höhe der Staatskanzlei. Bei Bauarbeiten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren hier Fundamente und zahlreiche Skelette auf dem einstigen Kloster­friedhof entdeckt worden.

In den folgenden Jahrhunderten wuchs Schwerin weiter – wenngleich es als Handelsstadt von anderen mecklenburgischen Städten in den Schatten gestellt worden war. In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts sind etwa 300 Häuser in der Stadt und 130 auf der Schelfe überliefert. Nach wie vor fand diese Entwicklung innerhalb des Mauerrings statt, denn ohne Wälle und Wände wären die Menschen in ihren Häusern schutzlos Räubern und Plünderern ausgeliefert gewesen.

Ein Merian-Stich aus dem 17. Jahrhundert zeigt den „Prospekt der Fürstlichen Mecklenburgischen Residenzstadt“ mit einem Häusermeer um Rathaus und Dom, umgeben von der Stadtbefestigung. Zu sehen sind Schmiedetor und Mühlentor. Die Wiesen davor blieben noch lange grün, denn zunächst wuchs die Stadt in Richtung Schelfe, wo Herzog Friedrich Wilhelm den planmäßigen Ausbau eines neuen Stadtteils förderte. 1832 wurde diese Neustadt nach langen Querelen offiziell mit der Altstadt vereinigt.

Die Zeit der Stadtmauern war jetzt vorbei. Im 19. Jahrhundert erlebte Schwerin mit der Rückverlegung der großherzoglichen Residenz hierher einen Aufschwung. Die Paulsstadt entstand, genauso wie die Straßenzüge westlich des Marienplatzes im Carré Lübecker Straße und Arsenalstraße.Lediglich Reste der alten Stadtmauer sind noch hinter dem Domhof in der Burgstraße erhalten. Dahinter erhebt sich ein Turm, der allerdings mit einem Wehrturm nichts zu tun hat. Er wurde mit dem Gebäude des Domhofs errichtet und beherbergt das Treppenhaus.

(Katja Haescher)