17.07.2015

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Vom Krambudenhaus zum Café

Das Säulengebäude am Markt, das eigentlich Neues Gebäude heißt, war mal eine Markthalle
Heute steht vor dem Säulengebäude die Stele mit dem Löwen. Foto: S. Krieg
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute im Blick: das Säulengebäude auf dem Markt.

Vor 14 Jahren wurde aus dem Säulengebäude am Markt das, was es heute ist: eine Gaststätte. Im Jahr 2001 übernahm Frank Röntgen den Betrieb. Er hatte sich zuvor bereits einen guten Ruf erarbeitet mit seinen Restaurants „Classic Conditorei & Café Röntgen“.
Die Stadt sanierte das Haus, und Röntgen richtete es dann entsprechend ein. Zunächst betrieb er das Café selbst, verpachtete es jedoch zwischendurch an jemand anderen. Seit 2014 betreibt er nach Renovierung auch das Schweriner „Classic Café Röntgen“ nun wieder selbst.

Errichtet wurde das Haus, das offiziell ganz schlicht Neues Gebäude heißt, bereits mehr als 200 Jahre früher und sollte explizit nicht gastronomischen Zwecken dienen.
In seinem als Standardwerk geltenden Zweibänder „Geschichte der Stadt Schwerin“ schreibt Wilhelm Jesse: „Der altstädtische Marktplatz war nach dem Dome hin durch einige unregelmäßige Häuserlinien begrenzt. Hier standen vier Häuser mit Höfen und Ställen, unterbrochen durch einen Zugang zum Dom mit dem Brotschragen. Diese vier Grundstücke wurden nun für 6000 Taler, wozu der Herzog zwei Drittel, die Stadt ein Drittel beisteuerte, angekauft und abgerissen. An ihrer Stelle erbaute der Ludwigslus­ter Hofbaudirektor Busch im klassizistischen Stile das ‘Neue Gebäude‘, in dem Kaufläden eingerichtet und vermietet wurden. 1785 war es ganz vollendet und der Stadtmusikus wurde angewiesen, künftig vom Neuen Gebäude Mittwochs und Sonnabends einen Choral zu blasen, was bisher vom Domturm aus geschehen war.“

Den Herzog sollen der Gestank und der Lärm des Marktes mächtig gestört haben, weswegen er den Bau des Hauses als Markthalle anordnete. Fortan nannten die Schweri­ner die Halle auch Krambudenhaus oder wegen seiner 14 dorischen Säulen eben Säulengebäude. Ab 1805 wurde es dann doch erstmals gastronomisch genutzt: Im Untergeschoss entstand ein Weinkeller, der erst 1938 geschlossen wurde. 1975 verwendete man den Keller wieder als Gaststätte – für Feiern und andere geschlossene Veranstaltungen.
Als Markthalle diente das Haus, das sich mit seiner Rückseite bereits auf dem Domfriedhof befand, etwa sechzig Jahre. Von 1900 bis Ende 1937 war in dem Neuen Gebäude, die Polizei stationiert, dann zogen die Uniformierten ins Rathaus um. Außerdem waren die oberen Räume während des Zweiten Weltkriegs und noch bis nach 1945 bewohnt.

Im Jahr 1901 wurde vor dem Eingang des Baus ein dreiarmiger Kandelaber entfernt, um Platz für eine Plastik zu schaffen: Die Stadt setzte ihrem Ehrenbürger Bismarck ein Denkmal, das am 1. April jenes Jahres enthüllt wurde. Vor der Westseite befand sich von 1911 bis 1930 zudem eine Trinkhalle und gleich gegenüber der Brunnen mit Hugo Berwalds Plastik „Rettung aus Seenot“. Als Reichspräsident Paul von Hindenburg im September 1925 Schwerin besuchte, gefiel ihm das Ensemble aus Brunnen, Dom, Bismarckdenkmal und Neuem Gebäude aber gar nicht. Daraufhin wurde der Brunnen 1927 zum Bahnhof umgesetzt. Das Bismarckdenkmal bekam im August 1939 einen neuen Standort, den heutigen Platz der Jugend, der damals in Bismarckplatz umbe­nannt wurde.

Ab 1937 befanden sich im Erdgeschoss teils Reisebüroräume, und bereits ab 1927 nutzte das Gaswerk das Haus für seine Exposition. Ausstellungen zu beherbergen, sollte auch viele Jahre später die Hauptbestimmung des Säulengebäudes sein. Nachdem dort zunächst Büros eingerichtet waren, eröffnete 1965 die erste ständige stadtgeschichtliche Ausstellung. Ab April 1976 hieß sie „Schwerin gestern, heute, morgen“ und wurde bis 1995 gezeigt. Apropos Stadthistorie: Ende der 1960er Jahre gab es einen Ideenwettbewerb zur „sozialistischen Neugestaltung des Stadtzentrums Schwerins“, wonach ein Großteil  der Altstadt abgerissen werden sollte; das Säulengebäude wäre als eines von wenigen Häusern stehen geblieben.

Bei der Sanierung 2001 lehnte sich die Stadt übrigens an die Strukturen von 1785 an, unter anderem wurden die Fenster hinter den Säulen wieder zu Türen und der Keller zu einem Lagerraum. Stefan Krieg