Hausgeschichten PR-Anzeige
Tudorgotik am Pfaffenteich
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute im Arsenal, das zu den markantesten Gebäuden am Ufer des Pfaffenteichs gehört.
Weiß oder orange-rot - das war lange die Frage. Eine Frage, die viele Schweriner während der Sanierung des Arsenals beschäftigte. Auf Vorschlag von Denkmalschützern und Architekten erhielt das jahrzehntelang weiße Gebäude dann schließlich den rötlichen Anstrich.
Inzwischen haben sich die meisten an das „neue“ Arsenal gewöhnt. „Ich konnte es mir anfangs auch nicht vorstellen. Aber wenn ich jetzt aus dem Fenster schaue, freue ich mich über die mediterrane Stimmung, die das Gebäude ausstrahlt“, sagt Armin Schlender. Sein Schreibtisch steht in der zweiten Etage des Arsenals, von hier blickt er auf einen der beiden neu gestalteten Innenhöfe. Ein Arbeitsplatz, der bei dem Mitarbeiter des Innenministeriums eine ganz besondere Leidenschaft weckte: Zusammen mit anderen Interessierten gründete er die Gruppe „Geschichte des Arsenals“ und widmet sich seitdem in seiner Freizeit der Jagd auf Dokumente, Fotos und Erlebnisse, die mit dem Gebäude in Verbindung stehen.
Und das sind viele. 1840 begann der Bau des Arsenals im Auftrag von Großherzog Paul Friedrich, der die Residenz von Ludwigslust wieder nach Schwerin verlegte und hier einen Stützpunkt für das Militär brauchte. Hofbaumeister Georg Adolf Demmler entwarf die Pläne für ein markantes Gebäude im Stil der Tudorgotik. Dieser Baustil, der in England während der Herrschaft des Hauses Tudor (15./16. Jahrhundert) vorherrschte, wurde im Historismus des 19. Jahrhunderts gern kopiert - mit seinen Türmen, Zinnen und Fensterbögen. Von außen wirkt das Arsenal deshalb eher wie eine Burg. Innen war es klar für die Bedürfnisse des Militärs eingerichtet - mit Geschützhallen, Werkstätten und Wachräumen. Außerdem entwarfen Demmler und der ebenfalls an der Bauleitung beteiligte Architekt Hermann Willebrand eine „Ruhmeshalle “ für militärische Trophäen und Zeremonien. Zu DDR-Zeiten, in denen das Arsenal seit 1952 als Bezirksbehörde der Deutschen Volkspolizei diente, entfernte man die Säulen der Halle und nutzte sie fortan für den Dienst- und Freizeitsport bzw. den Kinder- und Jugendsport. Der riesige Raum erhielt ein freitragendes Aluminiumdach. Heute beherbergt der „Willebrandsaal“ den Speisesaal des Innenministeriums und auch die Säulen sind - in moderner Form - zurückgekehrt.
1991 begann der Umbau des denkmalgeschützten Arsenals zum modernen Verwaltungsgebäude. Altes und Neues verschmolz zu einer geglückten Einheit. Die Architekten integrierten historische Bauteile, wie zum Beispiel das Stück einer Marmortreppe, als Schmuckelemente in den Bau oder machten an anderer Stelle die alten Feldsteinfundamente sichtbar. „Wer die Arsenalstraße hinaufgeht, merkt, dass das Gebäude direkt an den Hang gebaut wurde. Was auf der einen Seite das Erdgeschoss, ist auf der anderen der Keller“, erklärt Schlender diese Besonderheit. Viele der schon zusammengetragenen Erinnerungsstücke erzählen Geschichten. So wies zu DDR-Zeiten ein Schild auf die Gefahren einer Treppe hin: „Der Transport von schweren Gegenständen und das Betreten der Treppen in Gruppen wird aus Sicherheitsgründen untersagt“, hieß es da. „Da aber die Waffenkammer der Volkspolizeibehörde an dieser Treppe lag, wurden die schweren Kisten hier hoch und runtergetragen – immer an dem Schild vorbei“, weiß Armin Schlender. Heute ist die Treppe aufwändig saniert und das Schild der Sammlung der Interessengruppe einverleibt.
Viel Material hat die Gruppe schon aufgearbeitet, weiterem ist sie auf der Spur. „So wissen wir, dass nach dem zweiten Weltkrieg mehrere zivile Einrichtungen in dem Gebäude untergebracht waren, darunter eine Entbindungsstation“, sagt Schlender. „Wir suchen zum Beispiel Menschen, die hier geboren wurden und das vielleicht sogar mit ihrer Geburtsurkunde dokumentieren können.“ Aber auch für andere Dokumente sowie persönliche Geschichten, Fotos und Tipps ist die Gruppe dankbar.
Die Fäden laufen bei Armin Schlender zusammen (Tel.: 0385-5882460, e-Mail: armin.schlender@im.mv-regierung.de ). Und wer sich jetzt selbst einmal ein Bild machen möchte: Am 10. Oktober lädt das Innenministerium ab 10 Uhr zum Tag der offenen Tür ins Arsenal ein.