13.03.2009

Hausgeschichten PR-Anzeige

Tonnenweise Wasser

Der Wasserturm steht auf dem Neumühler Weinberg, der höchsten Erhebung der Landeshauptstadt
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken.

Heute ist es kein Haus, sondern ein Turm, dessen Tür sich öffnet. Er steht auf Schwerins höchster Erhebung, dem Neumühler Weinberg. Und für den „Gänsewein“ ist dieser Turm wirklich unentbehrlich. „Ohne Wasser, merkt euch das, wär‘ unsre Welt ein leeres Fass.“ Diesen Satz aus Luigi Cherubinis Oper „Der Wasserträger“ kennt wohl jeder - so oft wurde er schon zitiert. Und es stimmt ja auch: Ohne Wasser läuft überhaupt nichts. Heute ist es selbstverständlich, den Hahn aufzudrehen und schon sprudelt es heraus. Doch dieser Luxus war vor 120 Jahren nicht alltäglich. Damals entstand in Schwerin erst die zentrale Wasserversorgung und mit ihr der Neumühler Wasserturm.

Mit seinen Zinnen steht er wie ein Festungsturm auf dem 86 Meter hohen Berg. Der Schatz in seinem Innern: ein Behälter mit dem Fassungsvermögen von 350 Kubikmetern Wasser. „Eine technische Meisterleistung“ urteilen Jürgen Deter und Horst Schüller vom Verein der Freunde und Förderer des Wasserturms Neumühle über das Ende des 19. Jahrhunderts verwirklichte Projekt.

Der gewaltige Wassertank besteht aus genieteten Stahlteilen. Zusammengesetzt formen sie einen Koloss, der den ganzen oberen Teil des 22,5 Meter hohen Turms ausfüllt. Das Fundament des Bauwerks muss deshalb extrem belastbar sein. Denn zu dem schweren Behälter kommt das Gewicht des Wassers: Ein Kubikmeter besteht aus 1000 Litern und wiegt eine Tonne, 350 Kubikmeter passen - wie bereits erwähnt - in das Speicherbecken. „Da der Wasserspiegel im Innern des Behälters kontinuierlich steigt und sinkt, muss die Konstruktion auch ständig wechselnde Drücke aushalten“, erklärt Jürgen Deter, der seit 1972 in der Wasserversorgung der Stadt tätig ist. Bis zu seinem Eintritt in den Vorruhestand vor zwei Jahren war er technischer Leiter bei der Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsgesellschaft Schwerin, in deren Eigentum sich der Turm befindet. Das Bauwerk ist nämlich mehr als ein technisches Denkmal: Noch heute ist der Speicher im Neumühler Wasserturm als Druckausgleichsbehälter ins Wasserversorgungsnetz der Stadt eingebunden.

Gleichzeitig ist der Backsteinbau, der mit seinen spitzen Fenstern die Formensprache der Gotik aufnimmt, das Wahrzeichen des Stadtteils Neumühle. Horst Schüller kann sich noch gut daran erinnern, dass der Turm in seinen Kindertagen auch als Ausgangspunkt für Rodelfahrten diente. „Damals war der Berg rundherum ja noch nicht bebaut“, sagt der Neumühler.

So wie er sind rund 70 weitere Einwohner des Stadtteils Mitglieder in dem 1998 gegründeten Verein. Sie haben sich das Ziel gesetzt, das besondere Bauwerk zu erhalten und interessierte Besucher über die Schweriner Wasserversorgung zu informieren. Deshalb öffnen sie den Turm regelmäßig und führen Gäste bis aufs Dach. Wer die schmale Treppe emporsteigt, die zwischen der Außenhaut des Wasserspeichers und der Turmmauer nach oben führt, wird an ihrem Ende mit einem spektakulären Blick über die Landeshauptstadt belohnt. Am 23. März können sich Besucher erneut davon überzeugen - von 10 bis 14 Uhr. Anlass ist der Tag des Wassers, der 1992 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen wurde, um auf den Wert von sauberem Trinkwasser aufmerksam zu machen.

Nicht versäumen sollten Besucher dann, auch aus der Nähe einen Blick auf die Außenfassade des Wasserturms zu werfen. Ein interessantes Detail ist der Schweriner Reiter über der Eingangstür. „Auf dieser Darstellung reitet Heinrich der Löwe im Galopp - solche Abbildungen sind selten“, sagt Horst Schüller. Ein Stück darüber weisen Ziffern auf das Baujahr des Turms hin: 1889. Allerdings ist der Haken der Neun etwas klein geraten, so dass viele eine Null daraus lesen. „Das macht aber nichts, weil sich daraus gleich der erste Anknüpfungspunkt für ein Gespräch ergibt“, meint Jürgen Deter. Der Experte für Wasserversorgung freut sich, wenn Gäste interessiert sind. Und er vergisst auch nicht, auf den Beitrag des Turms zur Versorgungssicherung hinzuweisen. Denn damit Wasser wie selbstverständlich aus dem Hahn sprudelt, muss hinter den Fassaden der verschiedenen Betriebsstätten alles wie am Schnürchen laufen.