Hausgeschichten PR-Anzeige
Stiftung für mittellose Musiker
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute am Pfaffenteich, wo die Kücken-Stiftung an einen ganz besonderen Schweriner erinnert.
Im Vorgarten des Gebäudes an der Ecke August-Bebel-Straße/Friedrichstraße steht die Büste eines ernst dreinblickenden Herrn. Ein bisschen finster schaut er auf das Treiben zu Füßen seines Sockels. Ob Friedrich Wilhelm Kücken, immerhin Sohn des letzten Scharfrichters aus Bleckede im Landkreis Lüneburg, wirklich so grimmig war? Sicher trügt das Bild. Denn Kücken ist auch der Komponist des beschwingten Volksliedes „Ach wie ist es möglich dann“ und der Stifter, der mit seinem Vermögen mittellose junge Musiker unterstützte. 2010 jährt sich sein Geburtstag zum 200. Mal.
Heute ist aus dem Haus des Musikers ein Zentrum der Kommunikation und Gastlichkeit geworden. 1995, genau 100 Jahre nachdem der bekannte Mecklenburger Bildhauer Ludwig Brunow die Büste des Komponisten für den Vorplatz des Hauses schuf, zog das ZDF-Landesstudio in die zuvor aufwändig sanierte Kücken-Stiftung. Im Erdgeschoss befindet sich das Restaurant „Friedrichs“.
Bereits 1991 erwarb der öffentlich-rechtliche Sender das große Eckhaus – ein Glücksfall für die Stadt. Denn das markante neoklassizistische Gebäude, damals als Wohnhaus genutzt, gehört zu den schönsten am Pfaffenteich. Zur Wendezeit war es in einem baulich desolaten Zustand. Schatzsuchern gleich legten Bauleute, Architekten und Denkmalpfleger in den folgenden Monaten historische Strukturen frei und rückten Altes in neues Licht. Sie entfernten nachträglich vorgenommene Einbauten, so dass die Innenraumgestaltung im ersten Obergeschoss wieder den Eindruck des späten 19. Jahrhunderts vermittelt – natürlich mit Ausnahme der vielen modernen Technik in den Büros des ZDF. „Es war Anliegen unseres Hauses, in den neuen Bundesländern denkmalgeschützte Gebäude für die Landesstudios zu erwerben“, sagt Sylvia Bleßmann, seit zwölf Jahren Redakteurin im Landesstudio und seit 2007 Studioleiterin. Das historische Intarsien-Parkett ihres Büros und den schönen Ausblick auf Pfaffenteich und Arsenal genießt sie in der raren Zeit, die sie hier verbringt. Denn die Studioleiterin ist wie die anderen Redakteure viel im Land unterwegs, um für das ZDF zu berichten. Rund 500 Magazin-Beiträge im Jahr kommen aus dem Studio Mecklenburg-Vorpommern.
Die ZDF-Mitarbeiter bemühen sich sehr, den Originalzustand ihrer historischen Schweriner Räume zu erhalten. So gibt es zum Beispiel keine an die Wände geschraubten Regale und lediglich die Technikräume sind ein Zugeständnis an die Erfordernisse des Arbeitsalltags.
Apropos Arbeitsalltag. Der sieht beim Mieter im Erdgeschoss, dem Restaurant „Friedrichs“, völlig anders aus. Trotzdem sind auch hier die historischen Räume Teil des Konzepts. „Wenn Gäste beim Abschied sagen: ,Wir haben selten etwas Vergleichbares gesehen‘, dann freut uns das sehr“, sagt Inhaber Jürgen Glüsing. Er hat schon oft erlebt, dass sich Besucher nach der Geschichte des Hauses erkundigen. Deshalb hat Glüsing auch für die Internetseite des Restaurants Auskünfte zum berühmtesten Bewohner zusammengetragen.
Das Gebäude der Kücken-Stiftung war eines der ersten, das 1868 am südöstlichen Ufer des Pfaffenteiches entstand. Der Bauherr, Hoftischlermeister Peters, vermietete hier Wohnungen an gutsituierte Bürger der Stadt – so auch an Friedrich Wilhelm Kücken. Der 1810 geborene Komponist erhielt schon als Kind Klavierunterricht. Der Schweriner Musikdirektor und Schlossorganist Friedrich Lührß entdeckte und förderte sein Talent. Der junge Friedrich studierte in Berlin Komposition und Gesang und arbeitete danach in der Schweiz, in Wien, Paris und Stuttgart. Er vertonte zahlreiche Liedtexte und brachte 1847 in Stuttgart seine Oper „Der Prätendent“ zur Aufführung. Bis 1861 dirigiert er als erster Hofkapellmeister in der Stadt am Neckar, dann kehrt er nach Schwerin zurück. Hier kaufte Kücken nach einigen Jahren das Gebäude am Pfaffenteich, das später in den Besitz der von ihm gegründeten Stiftung überging. In seinem Testament hatte der Komponist verfügt, in dem Haus mittellose junge Musiker unterzubringen und zu beköstigen.
Kücken starb an einem Apriltag 1882. Er hatte im Garten die Rosen beschnitten und wollte mit der Pferdebahn zurück nach Hause fahren. In der Bahn entdeckte ihn der Schaffner leblos – die Zigarre noch in der Hand. Kückens Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof in Schwerin.