19.07.2024

Hausgeschichten

Start ins bürgerliche Leben

Heinrich-Heine-Schule gehört zu den Schulbauten, die Ende des 19. Jahrhunderts entstanden
Das heutige sanierte Schulgebäude der Heinrich-Heine-Schule mit dem Anbau zur Werderstraße
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal in der Amtstraße, wo die Heinrich-Heine-Schule aus der Geschichte der Schweriner Bildungslandschaft erzählt.
 
In der Zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stand es um das Schweriner Bildungswesen nicht zum Besten. Nur die wenigsten konnten schreiben und rechnen und mancher fiel aufgrund profunder Unkenntnis sogar beim Pastor im Konfirmationsunterricht durch. Die folgende Zeit brachte in vielerlei Hinsicht Besserung: 1842 übernahm der Magistrat das Schulwesen in kommunale Verantwortung. In diesem Zusammenhang wurden auch „neue, fähige Lehrer“ angestellt. Dies schien durchaus geboten gewesen zu sein. In einem Bericht der Schuldeputation des Bürgerausschusses heißt es, dass die Lehrer an den Waisenschulen „theils alt und abgestumpft, theils unfähig, einer sogar geistesschwach“ gewesen seien.

Keine guten Voraussetzungen also, um den Kindern mehr als den Katechismus beizubringen. Hier machte jetzt der liberale Bürgerausschuss Dampf. Das belegen Bernd Kasten und Jens-Uwe Rost in ihrem Buch „Schwerin. Geschichte einer Stadt“ mit Zahlen: Betrug der städtische Beitrag zur Unterhaltung der Schulen 1842 lediglich 500 Reichstaler, so waren es 1869 schon 10.000.

Allerdings war nicht allen Eltern für ihre Kinder die Volksschule gut genug. Es entstand eine Bürgerknabenschule, für deren Besuch ein relativ hohes Schulgeld fällig wurde – der Status der Eltern sorgte hier also für eine Trennung der Kinder in arm und reich. Damals setzte in Schwerin ein regelrechter Schulbau-Boom ein: 1884/85 entstand das Realgymnasium in der Grenadierstraße (heute Friedensstraße), 1885 die städtische Schule an der Feldstraße, 1885 der Schulneubau in der Amtstraße und 1890 das Schulhaus an der Roonstraße (heute Von-Thünen-Straße). In der Amtstraße wurden 1884 alte Gebäude abgebrochen, bevor im Februar 1885 der Bau eines „14classigen Bürgerknaben-Schulhauses“ begann. Die Fertigstellung war „für Michaelis 1886 projectirt“ und dieser Plan wurde auch eingehalten.
Ausgeführt war der Bau im „Style der deutschen Renaissance“. Die Vorderfront gliederte sich in zwei flankierende Risaliten mit steilen Giebeln und einem Mittelbau, im Keller befand sich eine Schuldiener-Wohnung und die Klassenräume reihten sich entlang der 4 Meter breiten und 18 Meter langen Korridore, die wie das Treppenhaus gewölbt waren.

Im Schuljahr 1885/1886 hatte die Bürgerknaben-Schule Schwerin 1053 Schüler, die an mehreren Standorten unterrichtet wurden. Mit der neuen Schule hatten sich die Bedingungen natürlich ganz entscheidend verbessert. Das kostete allerdings auch für die Familien ein erkleckliches Sümmchen: 44 Mark im Jahr wurden für den Besuch der Oberstufe fällig, 16 Mark Aufschlag zahlten Ortsfremde und 12 Mark im Jahr waren für den „nicht obligaten“ Unterricht in fremden Sprachen zu entrichten. Im Berichtsjahr besuchten 208 Schüler den Französisch-Unterricht, 114 saßen in den Englisch-Stunden. Auch die Ausstattung verbesserte sich – wurden doch für den Physikunterricht unter anderem ein Apparat für Brechung des Lichts im Wasser, eine Anzahl Bunsenscher Elemente und ein langer Gummischlauch angeschafft.

Schon bald war die Schule wieder zu klein: 1894 bekam sie zur Werderstraße hin einen Anbau, 1927 wurden die Turnhalle und 1929 ein neues Torhaus errichtet. Auch inhaltlich änderte sich im Laufe der Jahre einiges: Aus der Bürgerknaben-Schule mit acht aufsteigenden Klassen wurde eine Mittelschule, später dann eine Polytechnische Oberschule mit zehn Klassen und schließlich eine Grundschule.

1947 erhielt die Bildungseinrichtung den Namen Heinrich Heine – oder wie es in einem Zeitungsbericht von 1981 heißt, den Namen eines „berühmten Dichters und Revolutionärs“. Die Verleihung nahm der Schriftsteller Ehm Welk vor. Als Grundschule in der Schelfstadt ist die Heinrich-Heine-Schule bei Kindern und Eltern beliebt. Das Gebäude der einstigen Bürgerknaben-Schule wurde in den zurückliegenden Jahren umfassend saniert. Und natürlich gibt es längst Mädchentoiletten, die hier 1950 noch fehlten. 


Katja Haescher