14.11.2025

Hausgeschichten

Vom Adelssitz zum Bürgerhaus

In der Lindenstraße 9 wurde 1815 Adolf Friedrich Graf von Schack geboren
Das Haus in der Lindenstraße 9 entstand vor 1785 in der Schweriner Neustadt auf der Schelfe.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in der Lindenstraße 9, wo am 2. August 1815 Adolf Friedrich von Schack geboren wurde.

Wie kommt man eigentlich den Geschichten auf die Spur, die hinter den Mauern eines Hauses stecken? Das Schweriner Stadtarchiv ist eine gute Adresse und Adresse ein gutes Stichwort: Denn als das Wohngebäude in der heutigen Lindenstraße 9 gebaut wurde, gab es noch gar keine Straßennamen und Hausnummern. „Wir brauchen also die Katasternummer“, sagt Patricia Claus. Der Auszubildenden im Stadtarchiv hilft dabei ein Adressbuch aus den 1940er Jahren, in dem hinter dem Eintrag Lindenstraße 9 die alte Nummer 361 vermerkt ist. 

Mit dieser kann sie das Haus im „Brandassecurations-Cataster für die Stadt Schwerin“ ausfindig machen – den Unterlagen über die Feuerversicherung. 1820 hatte der Baron von Meerheim erstmals für das Gebäude eine Brandschutzversicherung abgeschlossen und dafür 8000 Reichstaler bezahlt. Auch nachfolgende Besitzer wie der Forstrevisor Mecklenburg und der Bürgermeister Möller sorgten für den Brandfall vor. Aus den Aufzeichnungen ist außerdem zu erfahren, dass es bereits 1820 am Haus einen Stall gegeben haben muss – der schlug nämlich in der Police mit 500 Reichstalern zu Buche. Darüber hinaus zeigen die Blätter Veränderungen auf dem Grundstück an: Der Forstrevisor versicherte 1859 zusätzlich einen Anbau und eine Wagenremise und auch der Bürgermeister musste fünf Jahre später tief in die Tasche greifen, um einen hinzugekommenen Hausflügel nebst überbautem Torweg zu assekurieren.

Allerdings: Mit dem Versicherungskataster ist der Endpunkt der Suche noch nicht erreicht. Das Wohnhaus datiert weiter zurück als auf das Jahr, in dem Baron von Meerheim erstmals für den Brandfall vorsorgte. Patricia Claus‘ nächster Anhaltspunkt ist nun eine Sammlung von „Konspekten über den Hausbesitzstand“ aus dem Jahr 1831. Darin taucht erneut der Name von Meerheim auf. Er weist nun die Spur zu dem Haus in der Lindenstraße 9 und führt die Reihe der Besitzer noch weiter in die Vergangenheit zurück – bis 1785. In jenem Jahr hatte der Cammer-Commissair Lock das Haus auf „einem wüsten oder Gartenplatz“ errichten lassen. So hat es Stadtsekretär Ahrens 1831 in ordentlicher deutscher Kurrentschrift vermerkt. Patricia Claus hat in ihrer paläografischen – also handschriftkundlichen – Ausbildung im Stadtarchiv gelernt, die Schnörkel zu entziffern. So kann sie der Liste noch entnehmen, dass der Herr Canzleirath Faull über die Erstbebauung informierte und dass das Gebäude unter der Nummer 309 im Hausregister von 1785 steht. „Das bedeutet aber nur, dass das Haus im erwähnten Jahr erstmals in den Aufzeichnungen auftauchte“, sagt Archivleiter Bernd Kasten. „Es kann durchaus einige Jahre zuvor erbaut worden sein.“

Der Ausbau der Schweriner Neustadt auf der Schelfe war von Herzog Friedrich Wilhelm per Dekret Anfang des 18. Jahrhunderts auf den Weg gebracht worden. Allerdings war es kein fulminanter Start: Der Herzog starb bereits 1713 und sein Bruder Karl Leopold folgte ihm auf den Thron. Unter seiner Herrschaft erlebte Mecklenburg unruhige Jahre – allein Schwerin wurde zweimal belagert. „In Kriegs- und Bürgerkriegszeiten baut man aber nicht so viele Häuser“, sagt Bernd Kasten. Erst nach Ende des siebenjährigen Krieges 1763 begann eine ruhigere Zeit – und jetzt klapperten auch in der Schweriner Neustadt wieder die Maurerkellen.
In diese Zeit fällt auch die Entstehung des Hauses mit der heutigen Nummer 9. Damit ist das Gebäude fast 250 Jahre alt und in einer so langen Zeit kann viel passieren. Wie zum Beispiel im Jahr 1815: Damals wurde in dem Haus Adolf Friedrich von Schack geboren. Der Name seines Vaters taucht 1814 in der Eigentümerliste auf und Adolf Friedrich sorgte dafür, das heute eine Gedenktafel die Fassade schmückt. Er wurde im Laufe seines Lebens zuerst Diplomat, um sich dann später als Kunstsammler, Dichter sowie Kunst- und Literaturhistoriker einen Namen zu machen. Als Mäzen förderte Schack junge Künstler, deren Bilder er kaufte und so eine bedeutende Galerie schuf. Die Sammlung Schack in München gilt als eines der bedeutendsten Museen für deutsche Malerei im 19. Jahrhundert.

In Schwerin wurde die Graf-Schack-Allee nach dem umtriebigen Kunstfreund benannt. Und apropos Straßen: Schacks Geburtshaus stand bis 1854 in der „Grünen Straße an der Schelfkirche“, bevor die Straße in jenem Jahr den Namen Lindenstraße bekam.
 

Katja Haescher