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Schon 1797 mit Ferienwohnung
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in einem Haus, in dem sich einst der Schweriner Schleifmüller nach der anstrengenden Arbeit zur Ruhe begab.
Das kleine Fachwerkhäuschen steht am Faulen See, direkt gegenüber der Schleifmühle und ein bisschen im Schatten des technischen Denkmals, das mit seinem großen Mühlrad die Besucher lockt. Doch wenn Häuser reden könnten, hätte auch das Schleifmüllerhaus eine Menge zu erzählen. Gebaut wurde es vermutlich in der Mitte des 18. Jahrhunderts. „Ein genaues Datum ist noch nicht bestätigt. Aber 1755 begann der Umbau der ehemaligen Graupenmühle zur Steinschleiferei und in diesem Zusammenhang muss auch die Dienstwohnung des Steinschleifers entstanden sein“, sagt Christine Rehberg-Credé. Sie ist Geschäftsführerin des Stadtgeschichts- und Museumsvereins Schwerin, in dessen Trägerschaft sich die Schleifmühle und das Müllerhaus befinden. Die Expertin für historische Siedlungsgeographie hat viele Einzelheiten zur Geschichte des Steinschleiferhauses zusammengetragen.
Der erste Hausherr, ein gewisser Johann August Wangel, wurde 1757 in Schwerin als Steinschleifer angestellt . Sein Wohnhaus am Faulen See lag recht einsam und Diebe suchten es häufi ger heim. Das geht aus alten Unterlagen hervor, in denen von neuen Schlössern und einem Zaun die Rede ist, die Wangels Sohn Johann August jun. in Auftrag gab. Die Lage des Hauses bot aber auch einige Vorteile: Schon 1797 vermietete Wangel jun. einen Teil des Gebäudes als „Ferienwohnung“. „Betuchte Schweriner quartierten sich während des Sommers gern im Grünen ein. Das ist zum Beispiel auch aus Zippendorf bekannt“, weiß Christine Rehberg-Credé. Im Schleifmüllerhaus genossen zwischen 1797 und 1800 Vicedirektor von Mecklenburg und später Justizrat Roepke die Sommerfrische. Für den Schleifmüller selbst waren derartige Vergnügungen natürlich kein Thema.
Die Arbeit in der Steinschleiferei bestimmte den Tagesablauf. Spuren davon sind auf dem Grundstück noch heute zu finden. „Bei der Gartenarbeit findet man immer wieder bearbeitete Steinreste“, so die Geschäftsführerin des Stadtgeschichts- und Museumsvereins. Auf Wangel jun. folgte der Steinschleifer Niedt, der 1830 die Inspektorenstelle übernahm - und damit auch das Recht, die Dienstwohnung im Schleifmüllerhaus zu nutzen. Niedt starb 1842. Mit seinem Tod erlosch die Stelle des Schleifmühleninspektors. Wenig später nahm Demmler, der als Hofbaumeister den Schlossumbau leitete, die Mühle in seine Verwaltung. „Im Müllerhaus hat er natürlich nicht gewohnt“, weiß Christine Rehberg- Credé. Stattdessen wurde hier während des Schlossumbaus eine Steinmetzwerkstatt eingerichtet.
Als Großherzog Friedrich Franz II. 1857 die umgebaute Residenz bezog, wurde die Werkstatt nicht mehr gebraucht und das Schleifmüllerhaus bot wieder mehr Wohnraum. „Ich kann mich erinnern, dass sogar Anfang der 1990er Jahre die obere Wohnung noch genutzt wurde“, sagt Christine Rehberg- Credé. 1996 übernahm der Stadtgeschichts- und Museumsverein die Schlüssel von Schleifmühle und Müllerhaus. Zusammen mit der Zukunftswerkstatt e.V. sanierte der Verein das Haus mit dem Vorsatz, alte Substanz zu erhalten und sichtbar zu machen.
Im Treppenhaus erlaubt ein „Fenster“ im Putz den Blick auf die historischen Lehmziegel. In einem Mehrzweckraum, den der Verein für Veranstaltungen nutzt, zeigen die Balken noch die alte Raumstruktur. An den Türen sind die Beschläge und historischen Schlösser erhalten und wenn auch das Schließen einigen Kraftaufwand erfordert: Sie funktionieren noch. Lediglich den Kopf müssen an heutige Wohnverhältnisse gewöhnte Menschen einziehen: „Mit meinen 1,68 passe ich zwar unter den Türrahmen - aber viel mehr Zentimeter dürften es nicht sein“, sagt Vereinsmitglied Daniela Wauschkuhn. Im Mittelpunkt wird das Steinschleiferhaus am Tag des offenen Denkmals stehen. Am 13. September öffnet hier eine Ausstellung historischer Planunterlagen, die „Orte des Genusses“ in Schwerin zeigen. Unter diesem Motto steht nämlich 2009 der bundesweite Denkmaltag.