18.04.2019

Hausgeschichten

Schöne Aussicht vom Jesarberg

Der Turm auf Kaninchenwerder sollte die Insel touristisch aufwerten
Mitten aus dem Waldgrün der Insel ragt der Aussichtsturm hervor.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: der Aussichtsturm auf der Insel Kaninchenwerder.

Am 25. Mai 1895 muss die Aufregung groß gewesen sein für Erholung suchende Schweriner: lieber zur Eröffnung der neuen Badeanstalt Marienhöhe gehen oder doch den gerade fertiggestellten Aussichtsturm auf Kaninchenwerder anschauen? Gut, das Ufer des Ostorfer Sees war sicher schon damals leichter erreichbar als die Insel im Schweriner See, da fiel die Entscheidung wohl nicht so schwer.
Auf jeden Fall aber hatte es sich die Gemeinnützige Gesellschaft Schwerin zum Ziel gesetzt, den Bürgern der Stadt vielerlei Erholungsmöglichkeiten zu bieten – auch auf Kaninchenwerder. Deshalb sollte die Insel touristisch aufgewertet werden. Zentraler Bestandteil: der Aussichtsturm. So gab die Gesellschaft als Bauherrin die Errichtung desselben beim Hofbaumeister Ludwig Clewe in Auftrag; die Pläne dazu stammten von Gustav Hamann (der in Schwerin zuvor schon das Haus der Kuetemeyerschen Stiftung – altes Standesamt – entworfen hatte).

Als Platz für das aufragende Gebäude wurde der höchste Punkt der Insel gewählt, der Jesarberg (auch: Jeserberg), der immerhin bis 18 Meter über den Wasserspiegel reicht. Der Turm selbst misst bis zur Spitze rund 22 Meter. Die Aussichtsplattform liegt etwa sieben Meter tiefer.

Die Gefahr, dass die Kaninchen dort hin­auf hoppeln, besteht jedoch nicht, denn solche gibt es auf der Insel nämlich gar nicht – und gab es früher auch nur ein, zwei Mal kurz (man hatte – letztlich erfolglos – versucht, die Langohren dort anzusiedeln). Die Slawen nannten die Insel Camin (Stein), daraus wurde Caminwerder, dann Kaminkenwerder und schließlich der heutige Name (die allerälteste bekannte Bezeichnung für die Insel lautet übrigens Jesar).

Als Baumaterial wurde Seesand von der Insel im Verbund mit Zement eingesetzt. Über die Baukosten ist nichts bekannt, aber Anfang 1939 taxierte die Stadt den Wert des Turms auf 5.000 Reichsmark.
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Gemeinnützige Gesellschaft bereits aufgelöst. Sie war 1907 auch Bauherrin der Reppiner Burgruine. Jenes Bauwerk wurde vom Architekten Gustav Hamann – ja, genau derselbige – von vornherein optisch als Ruine konzipiert. Und in einem alten Fremdenführer stand, der Turm auf Kaninchenwerder – offi­zielle Bezeichnung Julius-von-Welzin-Turm“ – wirke wie ein „ruinenhafter Überrest einer mittel­alter­lichen Burg“. Es gibt also in mehrfacher Hinsicht eine Verbindung zwischen beiden Bauwerken. Vielleicht auch deshalb überlegte die Gemeinnützige Gesellschaft, zwischen den Türmen eine Seilbahn zu installieren, das Projekt ließ sich aber nicht finanzieren.

Aber man musste ja auch nicht unbedingt über den See gondeln; ein Blick über das Wasser genügte auch, um der herrlichen Landschaft unserer Region gewahr zu werden. Von vornherein konnten alle, die den Welzin-Turm bestiegen hatten, ihre Eindrücke in einem Gästebuch festhalten, das dort dauerhaft und gesichert mit einer Eisenkette auslag. Immer wieder wurden in dem Turm auch Ausstellungen gezeigt, in denen es um die Jagd, später aber vor allem um den Naturschutz ging. Immerhin wurde Kaninchenwerder bereits 1923 ganz allgemein zum Naturschutzgebiet erklärt; am 19. Juli 1935 trat dann noch eine Anordnung nach dem Reichsnaturschutzgesetz mit konkreten Regeln in Kraft.

In den Jahren 1956 und 1985 wurde der Turm renoviert und vom 1. Juli 1998 bis zum 30. Juni 1999 umfangreich saniert. 2017 ließ die Stadt nochmal die Treppe samt schmiede­eisernem Geländer sowie Teile des Mauerwerks für insgesamt rund 100.000 Euro sanieren. Von Mai bis September wird der denkmalgeschützte Turm wieder als Ausflugsziel zur Verfügung stehen. Dann werden dort auch Fotografien mit Motiven aus Flora und Fauna Kaninchenwerders gezeigt. S. Krieg