20.08.2021

Hausgeschichten

Ressource und Butter-Ersatz

Das Wohnhaus Klosterstraße 20 diente mal der Geselligkeit, im Hinterhaus wurde Margarine hergestellt
Die Rückseite des Hauses
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: Klosterstraße 20.

Bürgerressourcen dienten den städtischen Bürgern für allerlei Geselligkeiten – leichte und nicht so leichte Muse, Speis und Trank, Spiel und Sport. Geschaffen wurden sie von privaten Zusammenschlüssen, vor allem Vereinen. Heute würde man solche Einrichtungen wahrscheinlich Vereins- oder Klubhaus nennen.

Ein solches ließ sich der Verein Schweriner Bürgerressource im Jahr 1804 in der Wasserstraße beim Klosterhof (heute Klosterstraße 20) bauen. Später zog die Ressource um, war zum Beispiel viele Jahre in der Münzstraße zu finden.

Spätestens 1829 wurde das schön gelegene Gebäude – nahe Schloss und Altem Garten – zum Wohnen genutzt. Erster Eigentümer nach der Ressource war Oberarzt Dr. Johann Christian Gottlieb Rennow, der die Immobilie für 6.000 Reichstaler erwarb. Am 11. Januar 1838 folgte der Oberpostamtsdirektor Peter Chris­tian Bartning, der schon 6.500 Taler für das Haus auf den Tisch legte. Gleich einen Tag später kaufte es ihm der Oberforstrat von Bülow für 7.500 Reichstaler ab.

Um was für einen Bau handelte es sich denn überhaupt, dass er so begehrt war? Die Historikerin Sabine Bock schreibt in ihrem Buch „Schwerin. Die Altstadt“: „Der zweigeschossige, siebenachsige Fachwerkbau aus der Zeit um 1800 ist mit seinem Satteldach traufseitig zur Klos­terstraße orientiert. Über den mittleren drei Achsen der wohl bauzeitlichen Putzfassade mit der zarten, geritzten Quaderung betont ein Fron­tis­piz [Giebeldreieck – d. A.] mit flachem Lünettenfenster das Dach, seitlich befinden sich zwei noch bauzeitliche, stehende Gauben.“ Auch eine Hofeinfahrt exis­tierte mal.

Besitzer und Mieter des Hauses waren immer wieder Mitglieder der gehobeneren Gesellschaft. Die Liegenschaft gehörte nacheinander Leuten wie dem Oberjägermeister von Bülow, dem Droschkenfuhrmann Bahrt und dem Bezirks­tierarzt Julius Jörn. Und dort wohnten unter anderem der Chausseewärter Suhr, die Gräfin von Bassewitz, der Hofschauspieler Fritz Rosée, der Schlossorganist Bernhard Romberg sowie mehrere höhere Offiziere.

Auf dem Hof des Hauses befanden sich Ställe, vornehmlich für Pferde. Insofern war es praktisch, dass ab 1905 jahrzehntelang immer ein Tierarzt im Hause war. Jörn lebte nicht als einziger Veterinär in der Kloster­straße 20: Als Besitzer des Hauses folgte ihm 1912 Dr. Bruno Böhm, und ab 1929 gehörte das Haus einige Jahre Dr. med Ewald Büntzel. Im April 1933 wurde die Immobilie zwangsversteigert. Am meisten bot Wilhelm Eckermann. Einen Tierarzt gab es dort weiterhin: Heinrich Heß mietete sich ab 1934 ein.

Eckermann hatte jedoch weniger mit Tieren zu tun; er ließ kurz nach dem Erwerb auf dem Hinterhof eine Margarinefabrik errichten, dafür mussten einige Ställe weichen. Mindestens bis 1949 stellte er an dieser Stelle den vielseitigen Butter-Ersatz her. Das Haus selbst wurde vor allem fürs Wohnen genutzt.

Eckermann sorgte dafür, dass noch mehr Mieter Unterkunft fanden. So ließ er 1947 aus einer Wohnung zwei machen – jeweils mit Bad und Küche. Am 3. März 1951 starb der Haus­eigentümer. Der Besitz ging auf seine Witwe Ursula Eckermann über, die 1953 Büroräume im Erdgeschoss zu Wohnungen umbauen ließ.

Auf dem Hinterhof widmete man sich weiter der Nahrungsmittelproduktion. Inzwischen jedoch wurde keine Margarine mehr hergestellt, sondern Nährmittel. Zum Nährmittelwerk Richter gesellte sich Anfang der 1950er Jahre der Aromen- und Essenzenhersteller Lange.

Wir springen etwa fünf Jahrzehnte nach vorn. Das Haus ist erneut in Privatbesitz. Die alten Nebengebäude wurden längst abgerissen, produziert wird dort nichts mehr. 2008 begann der aktuelle Eigentümer mit der Sanierung des Gebäudes, das unter Denkmalschutz steht. Heute befinden sich in der Klosterstraße 20 sowohl Mietwohnungen als auch Ferien­woh­nungen.S. Krieg