Hausgeschichten
„Optisch einen Schwerpunkt“
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das Achteck.
Lange Schlangen vorm Eingang, legendäre Partys in der Halle im Obergeschoss – so haben viele das Achteck noch in Erinnerung. Dabei war das Haus ursprünglich gar nicht als Diskothek gedacht. „Neuererzentrum Bauwesen und Clubgebäude für Wohngebiet“ ließ der für den gesamten Sportpark Lambrechtsgrund zuständige Architekt Peter Stange auf den Plan schreiben, der übrigens erst aus dem Jahr 1970 stammt.
In der Erläuterung dazu heißt es: „Es können hier Tagungen und Sitzungen durchgeführt werden, es können auch andere geschlossene Veranstaltungen stattfinden.“ Die integrierte gastronomische Versorgung wird ebenfalls erwähnt – jedoch nicht ohne zu betonen: „Die Hauptfunktion des Gebäudes bleibt aber den bezirklichen Ausstellungen, Messen, Lehr- und Leistungsschauen vorbehalten.“
Die Lage des Achtecks, heißt es weiter, sei so gewählt, „daß es zwischen der Wittenburger Chaussee und dem künftigen KJS-Komplex eine neue Eingangssituation bildet und auch durch seine eigenwillige Form optisch einen Schwerpunkt bildet. […] Dabei ist die im Bebauungsplan vorgeschlagene Fußgängerbrücke über die Chaussee Bindeglied zwischen Achteck/KJS und der Ausstellungsgaststätte in Hyparschalenkonstruktion am Rande der Weststadt.“ (Die Brücke wurde nicht gebaut, die Gaststätte „Panorama“ aber schon, siehe „Schwerin live“ 10/2017).
Der Entwurf zu dem Zweigeschosser mit der „eigenwilligen Form“ stammt von Günter Graw. Es handelt sich um eine Stahlskelettkonstruktion. Das bedeutet, dass alles durch Stahlstützen und -träger gehalten wird, während das Mauerwerk keine tragenden Wände bildet. Der Hauptteil, also das eigentliche Achteck, misst 29 mal 29 Meter, hinzu kommt noch ein knapp 60 Quadratmeter großer Anbau, der direkt an die dahinter liegende kleine Sporthalle grenzt. Die Außentreppe an der Westseite sollte ursprünglich nur als vorläufige Notausgangstreppe dienen, bis dort die Brücke andockt.
Das „Clubgebäude für die Wohnbezirke 11 + 12“ – auch so wurde das Achteck auf Plänen von 1970 bezeichnet – sollte gut 1,5 Millionen DDR-Mark kosten. Der Hauptinvestor „Komplexer Wohnungsbau Schwerin“ hatte dabei Heizung und Projektierung noch nicht mal mit eingerechnet. Erste Planungen (Baugrunduntersuchungen) für das Gelände, auf dem sich vorher eine Gärtnerei befand, gehen bis 1958 zurück; die Baugenehmigung wurde jedoch erst am 4. September 1969 erteilt.
Vom 23. August bis zum 7. September 1969 fand bereits die erste Veranstaltung („Messe der Meister von Morgen“) im Achteck statt, das zu dem Zeitpunkt mehr oder weniger ein Rohbau gewesen sein muss – und anfangs formal noch nicht mal baugenehmigt (obgleich sogar schon im Juni 1969 Richtfest gefeiert wurde). Am 15. Juli 1970 hatten Planer und Investor die staatliche Bauaufsicht um Prüfung ihrer Projektierungsunterlagen gebeten. Anfang der 1970er Jahre wurde das Achteck dann offiziell eröffnet.
Von da an war es zunächst vor allem Schauplatz diverser Lehr- und Leistungsschauen (LL). Passenderweise befanden sich im Erdgeschoss die Büros der LL-Messeleitung und des Neuererzentrums. Der Vorsitzende des Rates des Bezirkes hatte hier ebenfalls ein Büro. Die Räume wurden aber unter anderem auch von der Sportstättenverwaltung und später dem Volleyballverband MV genutzt. Außerdem befanden sich im Parterre anfangs ein zweigeteilter Clubraum sowie eine kleine Küche. Nach der Wende zog für eine Weile sogar eine richtige Gaststätte in die untere Etage ein. Derzeit ansässig sind dort Ärzte, eine Autovermietung und eine Spielothek.
Der große Raum in der oberen Etage, „Halle“ genannt und durch eine massive Treppe in der Gebäudemitte erreichbar, konnte variabel genutzt werden – für Sitzungen des Bezirkstages mit großem Präsidium und Rednerpult ebenso wie für kulturelle Veranstaltungen; auf einem Plan vom 18. März 1970 ist bereits ein „Musikpodest“ eingezeichnet. Das wurde dann aber spätestens ab August 1974 vorwiegend von einem DJ belegt. Außerdem gingen bis 1975, als die Mensa öffnete, Schüler der Kinder- und Jugendsportschule regelmäßig dort essen.
Von 1977 bis 2015 fanden im Achteck regelmäßig (abgesehen von einigen Unterbrechungen) Discos statt. Nach einer umfangreichen Sanierung inklusive Entkernung 2016 dient die „Halle“ nun wieder als variabler Veranstaltungsort, sie kann zum Beispiel für private Feiern oder Betriebsfeste gemietet werden. Der Betreiber Porsch Event GmbH organisiert aber des Öfteren auch selbst Partys, gerade jetzt zum 50. Geburtstag des Achtecks – als Nächstes am 18. Mai eine Ü30-Party. S. Krieg