18.06.2015

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Kunst und Werk am Teich

Wo die Geschichte von Schwerins Energieversorgung begann, gibt heute die Kultur Impulse
Außenansicht des alten E-Werks am Pfaffenteich Fotos: Katja Haescher
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in einem Haus, das aussieht, wie ein Schloss, ein eigenes Kapitel in der Industriegeschichte der Stadt hat und seit vielen Jahren das Werk zur Kunst besteuert: im E-Werk am Pfaffenteich.

Die elektrische Lichterkette war zwar schon erfunden, dennoch ahnten die Schweriner am Heiligen Abend 1904 noch nicht, dass sich Weihnachtsbäume künftig auch mit Strom illuminieren lassen würden. Für sie war es schon ein enormer Fortschritt, dass überhaupt in den ersten Privathäusern der Residenzstadt das elektrische Licht anging: Am 24. Dezember 1904 nahm das Städtische Elektrizitätswerk in Schwerin offiziell seinen Betrieb auf. Ein Gebäude am Spieltordamm, von außen eher einem Schlösschen als einem Industriebauwerk ähnlich, war die Schaltzentrale der neuen Technik, die Schwerin einen großen Entwicklungsschub geben sollte.
Georg Klingenberg hieß der Spezialist, den die Stadt für die Errichtung ihrer „Elektrischen Centrale“ gewonnen hatte. Dem Bau vorausgegangen war eine Umfrage unter Hausbesitzern und Gewerbetreibenden, von denen 643 ihre Anschlussbereitschaft erklärt hatten. Ganz neu war der elektrische Strom in Schwerin nicht:  So verfügten einige Betriebe und Geschäfte, darunter auch das Hoftheater, über eigene elektrische Lichtanlagen. Dass das Elektrizitätswerk am Spieltordamm eine aufwändige Fassadengestaltung im deutschen Renaissancestil erhielt, war ein Wunsch des Schweriner Magistrats: Das Gebäude in der Perlenkette der repräsentativen Stadthäuser um den Pfaffenteich sollte nicht auf den ers­ten Blick als Industriezweckbau zu erkennen sein. „Der Architekt hat es sehr gut verstanden, die ansprechende Form mit den Erfordernissen an die Nutzung zu vereinen“, sagt Gilda Goldammer, Mitarbeiterin der Unternehmenskommunikation in den Stadtwerken Schwerin. Das Unternehmen ist Eigentümer des E-Werkes und hat dessen Fassade, die inzwischen unter Denkmalschutz steht, in den zurückliegenden Jahren wieder herausgeputzt. 496 Häuser, darunter der Dom, waren angeschlossen, als das E-Werk 1904 in Betrieb ging. Die Zahl stieg von Jahr zu Jahr und die Elektrizität begann, Teil des Alltags zu werden. Als in Schwerin 1908 die erste elektrische Straßenbahn durch die Stadt ratterte, hatte das E-Werk einen neuen Großabnehmer: 1914/15 verbrauchte die Bahn fast ein Drittel der vom E-Werk abgegebenen elektrischen Energie. Nach dem Ers­ten Weltkrieg wurde das Werk modernisiert und erhielt Dieselmotoren. In diesem Zusammenhang entstand parallel ein modernes Fernheizwerk, das die Abwärme verwertete und Kühlwasser für die Motoren ins System zurückführte. 1969 stellte das E-Werk die Stromproduktion ein. Zu diesem Zeitpunkt war in dem Betrieb am Pfaffenteich ohnehin nur noch ein Anteil der benötigten Gesamtstrommenge für Schwerin produziert worden.
Und doch gehen auch heute vom
E-Werk immer noch Impulse aus. Sie betreffen das kulturelle Leben der Stadt. Denn dank der aktuellen Nutzer, dem Kunstverein und dem Mecklenburgischen Staatstheater einschließlich Puppenbühne, gehört das  Gebäude zu den kulturellen Premiumzielen der Stadt. Wer sich heute im Innern umsieht, entdeckt vom Keller bis unters Dach noch viele Spuren der einstigen Nutzung – vom leichten Geruch nach Öl bis zu den Stahlträgern des Industriebaus, die von Künstlern im Ausstellungsraum des Kunstvereins gern in ihre Arbeiten einbezogen werden. „Einmal kam zu einer Ausstellungseröffnung die Tochter des ehemaligen Maschinisten und erzählte, wie privilegiert die Familie hier in der Dienstwohnung neben dem Maschinenraum wohnte – man konnte zum Beispiel heiß baden“, erzählt die Leiterin des Kunstvereins, Anne-Kathrin Auel.
Diese Synthese aus Industriegeschichte und kreativer Energie wird während der Schweriner Kulturwoche vom 2. bis 8. Juli ihre Fortsetzung finden. Die Veranstaltung, die von den Stadtwerken Schwerin unterstützt wird, beginnt am 2. Juli am E-Werk mit der Einweihung einer Palettenskulptur, gestaltet von Schweriner Jugendlichen. Schultheater, ein Manufakturenmarkt und ein Flohmarkt schließen sich in den darauffolgenden Tagen an – unter Opens external link in new windowwww.kulturwoche-schwerin.de gibt es das komplette Programm. Katja Haescher