Hausgeschichten
Karstadts Spuren in Schwerin
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: Schmiedestraße 12.
1899 eröffnete Christian Karl Karstadt in der Schmiedestraße, Ecke Buschstraße ein Kaufhaus. Das Gebäude wurde 1877 errichtet und 1904 umgebaut, dabei wurden die Häuser Schmiedestraße 6, 8, 10 und 12 integriert. In der Schmiedestraße 6 betrieb Karstadt bereits seit 1880 eine Manufakturwarenhandlung, 1886 baute er nebenan im Haus Nummer 8 mit einem Laden sein Geschäft aus.
Christian Karl Karstadt war Vater von Rudolph Karstadt, dem späteren Begründer des Karstadt-Konzerns, und Ernst Karstadt. Ernst führte ab 1891 die Handlung in der Schmiedestraße als Inhaber.
Rudolph Karstadt bewies jedoch besseren Geschäftssinn als sein Bruder. Der gebürtige Grevesmühlener hatte im Mai 1881 im Alter von 25 Jahren in Wismar sein erstes Geschäft gegründet, eine Textilhandlung – der Ausgangspunkt für ein Imperium. Schnell eröffnete er in halb Norddeutschland mehr als 20 weitere Geschäfte. Ernst Karstadt verschuldetet sich derweil sehr hoch. Sein Bruder half ihm aus der Patsche, indem er ihm im Jahr 1900 dessen Unternehmungen abkaufte, darunter auch das Schweriner Kaufhaus.
Rudolph Karstadts Erfolg gründete sich vor allem auf drei Faktoren: Er orderte ohne Zwischenhandel direkt bei den Produzenten, bezahlte die Hersteller zu Festpreisen und zentralisierte den Einkauf für alle seine Läden und Kaufhäuser. Diese Praktiken trugen dazu bei, dass er die Waren deutlich günstiger anbieten konnte als die Konkurrenz.
Über die Jahre eröffnete er mehrere Fabriken, übernahm 1920 ein Großunternehmen und wandelte Karstadt in eine Aktiengesellschaft um. 1930 hatte Karstadt deutschlandweit fast 89 Filialen. Trotz allen Geschicks und der Expansion erwischte es Rudolph Karstadt während der Weltwirtschaftskrise. Er verlor Anfang der 1930er Jahre sein Privatvermögen und schied aus dem Vorstand der AG aus. Seinen Lebensabend verbrachte er in der Villa Beaugencystraße 7 (heute Graf-Schack-Allee 7) die er 1935 gekauft hatte. Dort starb er 1944 und wurde auf dem Alten Friedhof bestattet.
Der Gebäudekomplex Schmiedestraße 6-12 veränderte 1938 erneut sein Antlitz. Schöner wurde er nicht: Die Nazis ließen die 1904 angebrachten historisierenden Fassadenelemente als „Entschandelung“ beseitigen. So sehen die Gebäude auch heute noch übertrieben schlicht aus.
Im Januar 1946 zog das Reitz-Uniformwerk in die oberen Stockwerke ein. Jetzt ratterten die Nähmaschinen anstelle der Registrierkassen. In der unteren Ebene befand sich ab Mai 1945 das Wirtschafts- und Ernährungsamt.
Nach der Enteignung des Besitzers Erich Reitz wurde der Betrieb vom Land als Schweriner Kleiderwerke (später Anker-Konfektion) weitergeführt. Die Beschäftigten nähten vorwiegend Polizeiuniformen.
Anfang der 1960er Jahre ließ man es an dieser Stelle mit dem Nähen sein. Das Erdgeschoss wurde eine Weile als Lager genutzt – bis dort im Juni 1971 eine „Fruchthalle“ eröffnete, die im August 1971 in eine HO-Kaufhalle umgewandelt wurde. Nach der Wende übernahm „Kaiser‘s“. In der Schmiedestraße 10-12 befindet sich noch heute ein Supermarkt. S. Krieg