18.02.2022

Hausgeschichten

Kaffee und Biedermeier

Der Pavillon im Schlossgarten erzählt eine Geschichte von 200 Jahren Gastlichkeit
Heute ist der kleine Pavillon eine Perle inmitten des Schlossgartens.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: im Schlossgarten-Pavillon, wo Biedermeier auf einen Hauch von China trifft.

Die erste Speisekarte von Schwerin soll hier gehangen haben: Als der Hofkonditormeister Christian Gottlob Sadler im Schweriner Schlossgarten sein Pavillon-Café eröffnete, war im Saal eine Preisliste angeschlagen. So erfuhren die Gäste gleich, wie sich der Kaffeeklatsch summierte und die Kellner waren angewiesen, sofort zu kassieren – Sadler war geschäftstüchtig.

Man schrieb das Jahr 1818. Der Wiener Kongress, auf dem Europa nach der Niederlage Napoleons neu geordnet worden war, lag erst wenige Jahre zurück und die Staaten des Deutschen Bundes wiegten sich im Biedermeier. Jetzt zählten das Private, das Idyll und das kleine Glück. Friedrich Franz I., seit dem Wiener Kongress mit dem Titel Großherzog geschmückt, hatte 1793 am Heiligen Damm das erste deutsche Seebad aus der Taufe gehoben und machte den Ort und das nahe Doberan zu einem Treffpunkt der Hautevolee. Zur mondänen Bebauung gehörte auf dem Doberaner Kamp der 1809 errichtete Rote Pavillon. Diesen nahm sich Hofbaumeister Carl Heinrich Wünsch zum Vorbild, als er im Auftrag Sadlers einen sechseckigen Fachwerkbau mit Spitzdach im Schweriner Schlossgarten errichtete. Großherzog Friedrich Franz I. hatte dem Konditor für das Projekt grünes Licht gegeben – und möglicherweise kam es ihm ganz  gelegen, dass nun auch Schwerin ein bisschen vom weltmännischen Chic des Badeortes profitierte. Die Schweriner Ausflügler jedenfalls machten den Schlossgarten-Pavillon schnell zur ersten Adresse. Dies galt umso mehr, als hier auch noch die Musik spielte: Schon 1819 gab es die ersten Gartenkonzerte und – so hat es Hans-Joachim Falk für seine Hotellerie- und Gastronomie-Geschichten aus Schwerin recherchiert – es wurde vom Publikum entgegen zu sonstigen Gepflogenheiten ein Eintrittsgeld erhoben. Bedenkt man, dass Stadtmusikus Hartig mit seiner Kapelle fünf Stunden lang musizierte, scheint dies recht und billig gewesen zu sein.

Fügte sich der Pavillon mit seiner umlaufenden Säulenlaube anfangs sehr harmonisch in den barocken Schlossgarten ein, erwuchs aus dem kleinen Spitzdachhaus nach „chinoisem Vorbild“ mit den Jahren ein regelrechtes Veranstaltungsareal. In den 1920- und 1930er-Jahren entstanden verschiedene Anbauten, zu denen Kioske und ein Wintergarten gehörten. Es kamen ja auch viele Gäste, gelockt von Gastronomie und Ambiente. Dem Erscheinungsbild des Pavillons gereichte es nicht immer zum Besten.

Nachdem das Gebäude 1945 kurzzeitig als Reservelazarett diente, zog 1951 eine Kinderkrippe ein. Allerdings blieb dies ein kurzes Intermezzo, denn schon 1953 übernahm die HO das Zepter. Jetzt lockte das Park-Café – und schnell wurde der Pavillon wieder zum gastronomischen Hotspot mit zahlreichen Veranstaltungen und weiteren An- und Umbauten. Disko, Konzerte, Betriebsfeiern – gerade in den 1960er- und 1970er-Jahren ging es im Schlossgarten hoch her. Nachdem jedoch 1979 Teile des Saales und des Wintergartens abgebrannt waren, wurde der Pavillon vorübergehend geschlossen und sämtliche Anbauten abgerissen. Danach zeigte sich das kleine Gebäude wieder freistehend in seiner ursprünglichen grazilen Form.

Ein weiteres Update für die denkmalgeschützte Bausubstanz gab es in den 2000er-Jahren im Zusammenhang mit der Buga. Jetzt wurde zum Beispiel der Umgang mit seiner toskanischen Säulenordnung wieder hergestellt. Geblieben ist auch die Tradition der Gastronomie: Heute lockt im Pavillon ein Restaurant.

    
Katja Haescher