13.02.2015

Hausgeschichten PR-Anzeige

In guter Caféhaustradition

Eckgebäude Schloßstraße/Puschkinstraße gehört zu den repräsentativen Schweriner Stadthäusern
Das Haus mit dem markanten Giebel entwarf Baumeister Ludwig Clewe.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in der Schloßstraße 17, wo Schweriner Caféhauskultur zu Hause ist.

Für die meisten Schweriner ist dieses Haus eine Institution.  „Da hinten habe ich immer mit meiner Schulfreundin gesessen.“ „Sonntags habe ich hier für meine Eltern den Kuchen geholt.“ „Hier gab es doch das gute tschechische Bier.“ Wenn Margrit Hildebrandt im Café Prag mit Gästen ins Gespräch kommt, sprudeln die Erinnerungen. Denn das Caféhaus gehört zu Schwerin wie Schloss und See.

Das Haus, dessen auffälliger hoher Giebel schon von weitem zu sehen ist,  entstand im Jahr 1909 anstelle eines barocken Fachwerkhauses. In dem hatte bereits 1755 Johann Gottlob Hering ein Kaffeehaus mit Konditorei eröffnet. Das war zur Regierungszeit des kunstsinnigen Herzogs Christian Ludwig, der seinerseits die Handwerkskunst des Herrn Hering mit dem Titel Hofkonditor belohnte.
Nach mehreren Besitzerwechseln und teilweise anderer Nutzung gelangte das Gebäude 1791 in die Hände des Konditors Carl Friedrich Leopold Krefft.

Das war der Beginn einer regelrechten „Kuchendynastie“: Über fünf Generationen führte Familie Krefft die Konditorei und machte das Familienunternehmen zu einer der bekanntesten Firmen Schwerins. „Carls Bruder Johann Friedrich , der nicht schmecken und daher kein Konditor werden konnte, gründete eine Leinweberei“, erzählt Margrit Hildebrandt vom gesunden Geschäftssinn der Kreffts. Später kaufte Johann Friedrich ein Haus in der Schlossstraße, wo er als erster Geschäftsmann der Stadt seine Erzeugnisse im Fenster präsentierte. „Damals lachte ganz Schwerin darüber“, erzählt Margrit Hildebrandt von dem Mann, der in der kleinen Residenzstadt das Schaufenster einführte.

Die Gastronomin, die zusammen mit ihrem Sohn Thomas das Café Prag führt, hat mehrere Ordner mit Fotos und Informationen zur Geschichte von Haus und Gastronomie zusammengetragen. Auf den Deckblättern stehen Namen wie Carl, Friedrich und Betty Krefft. Betty war die Frau von Fritz Krefft, der 1877 das Geschäft übernahm. Als er 1899 im Alter von nur 44 Jahren an einem Blinddarmdurchbruch starb, war sein einziger Sohn erst 17 Jahre alt und seine Frau musste im Unternehmen ihren Mann stehen. Betty Krefft war eine vornehme Dame, die von Angehörigen und Angestellten mit Handkuss begrüßt wurde. Nichtsdestotrotz konnte sie die Ärmel aufkrempeln: Margrit Hildebrandt hat in ihrem Ordner einen Teil des Schriftwechsels abgeheftet, den die Konditorwitwe mit den Behörden wegen des Neubaus eines Hauses an der Ecke Schloßstraße führte. „Es war gar nicht so einfach, aber sie hat sich durchgeboxt“, sagt Thomas Hildebrandt bewundernd.

Und so erhielt der bekannte Schweriner Baumeister Ludwig Clewe Anfang des 20. Jahrhunderts den Auftrag, ein neues Geschäftshaus zu errichten. Das wurde 1909 fertig und beherbergte neben der Gastronomie im Erdgeschoss sieben Wohnungen. In einer war Familie Krefft zu Hause, aber auch die Angestellten des Caféhauses wohnten über der Gaststätte. Zur ersten Innenausstattung gehörte eine Paneele, die heute zum Teil nachempfunden wurde. Zwischen den Säulen gab es halbhohe Trennwände, so dass kleine Nischen entstanden. Obwohl sich auch Betty Kreffts Sohn ins Zeug legte und das Caféhaus durch Clubsessel und Wandmalereien immer gemütlicher wurde, musste Carl Krefft 1936 verkaufen – seine Schwestern hatten auf Auszahlung des Erbes gedrängt.

Zu DDR-Zeiten hieß das Café erst „Inntourist“ und später „Einheit“. Nachdem ein Künstler eine Stadtansicht von Prag an die hintere Stirnseite gemalt hatte, setzte sich der Name „Café Prag“ durch. „Damals war es das einzige Lokal, in dem tschechisches Bier verkauft wurde“, sagt Margrit Hildebrandt. „Es gab hier jede Menge Männer-Stammtische.“ Nach der Wende übernahm eine GmbH das Café, Geschäftsführer war Wolfgang Hildebrandt. Seitdem wurde viel renoviert und modernisiert. „Aber immer behutsam“, betont Margrit Hildebrandt, die gelernte Kellnermeisterin ist und noch heute dem Service in Café und Restaurant vorsteht: „Der Wiedererkennungswert soll schließlich bleiben.“

Stolz ist die Familie, dass das Café Prag sogar in dem Bildband „Vom Reichtum europäischer Caféhauskultur“ von Walter Vogel einen Platz gefunden – als eines von zwei Cafés in Ostdeutschland. Eine alte Uhr, direkt in die Paneele eingebaut, gibt es heute noch. Und auch eine weitere Wandmalerei, die zur Neueröffnung 1909 entstand, ist nach der Wende wieder freigelegt worden. Katja Haescher