Hausgeschichten PR-Anzeige
Haus für große Verhältnisse
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das Gebäude Zum Bahnhof 5-7.
Es war 1840, als in Schwerin begonnen wurde, auch die Westseite des Pfaffenteichs zu bebauen. Man arbeitete sich von unten nach oben durch – von der Alexandrinenstraße bis zur heutigen Wismarschen Straße. Vielen der Gebäude lagen Entwürfe des Architekten Hans Tischbein zu Grunde.
Eine der neuen Straßen, die in diesem Zuge entstand, war die Wilhelmstraße. Hier besaß auch der Hofbäckermeister Adolf Niendorff ein Haus. Um 1880 beschloss der Bäcker, ins Gastgewerbe einzusteigen, und so eröffnete er im Jahr 1881 „Niendorffs Hotel“. Fremdenzimmer zu vermieten, erwies sich als einträgliches Geschäft. Daraufhin verpachtete Niendorff seine Bäckerei und betätigte sich nur noch als Hotelier.
Später, 1889, ließ er das Haus komplett zu einem Hotel umbauen. Hinzu kamen ein Wintergarten mit 800 Plätzen sowie ein Gartenlokal. Der Historiker Dr. Wilhelm Jesse schreibt dazu in seiner „Geschichte der Stadt Schwerin“, „der Wintergarten von Niendorff“ sei „für große Verhältnisse berechnet“ gewesen. Und im Saal fand 1899 sogar Schwerins erste öffentliche Filmvorstellung statt.
Schon 1895 führte Niendorff sein Gastgewerbe aber nicht mehr selbst, sondern er verpachtete das Hotel an den früheren Oberkellner Hermann Krasemann, der zuvor im „Hotel de Russie“ gearbeitet hatte. Ende 1895 verstarb Niendorff, und kurz darauf kaufte Krasemann das Haus den Erben ab.
Am 1. Juli 1901 eröffnete er das Hotel als „Niederländischer Hof“ neu. Für diesen Namen entschied er sich, weil am 7. Februar des selben Jahres Herzog Heinrich zu Mecklenburg die niederländische Königin Wilhelmina Helena Pauline Maria von Oranien-Nassau geheiratet hatte.
Wilhelmina passte nun auch wieder namentlich gut zur Wilhelmstraße, die übrigens später mehrfach umbenannt wurde: 1939 in Hindenburgstraße, 1945 in Ernst-Thälmann-Straße, 1976 in Herbert-Warnke-Straße, und seit kurz nach der Wende heißt sie schlicht Zum Bahnhof.
1911 ließ Hermann Krasemann seinen Besitz erneut umbauen, in diesem Zuge bekam das Hotel unter Einbeziehung des Nachbarhauses auch eine neue Fassade – so sieht der Bau im Prinzip heute noch aus. Im Jahr 1920 verkaufte Krasemann das Haus, denn er musste sich um seine schwer kranke Frau kümmern (sie hieß ürigens Wilhelmine). Neuer Besitzer war das Land Mecklenburg, das in der Immobilie sein Finanzamt unterbrachte. Der „Niederländische Hof“ wurde bald darauf an seinem heutigen Standort in der Alexandrinenstraße neu eröffnet.
In das Doppel-Haus mit der aktuellen Adresse Zum Bahnhof 5-7 zogen nach dem zweiten Weltkrieg kurzzeitig Flüchtlinge ein. Danach brachte die Stadt dort ihre Ämter für Arbeit und für Wohnen unter. Auch nach der Wende arbeitete die Stadtverwaltung in den Räumen (Schwerin hatte das Gebäude 1994 vom Bund gekauft). Bis Ende 1998 befanden sich darin unter anderem das Jugendamt, das Amt für Wohnen, das Gesundheitsamt und die Untere Wasserbehörde. Danach wurde es mehr oder weniger als Lager genutzt. Seit 2010 steht das Gebäude leer; vor wenigen Monaten wurde das Gebäude jedoch an einen privaten Investor aus Hamburg verkauft. Dort sollen nun Wohnungen entstehen.
Anlässlich der Bundesgartenschau im Jahr 2009 gestaltete der Schweriner Künstler Tino Bittner zusammen mit „Ataraxia“-Schülern die graue Fassade mit bunten Graffiti. S. Krieg