19.10.2018

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„Gelungene Kasernenanlage“

Die Geschichte des ehemaligen Offizierskasinos in der Stellingstraße 19
Offizierskasino Ende September 2018 Foto: S. Krieg
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das ehemalige Offizierskasino.

Bis Ende dieses Jahres sollen alle restlichen Arbeiten an dem prächtigen Haus in der Stellingstraße 19 erledigt sein – so das Ziel der HN Holding GmbH, die im Juni dieses Jahres dort eingezogen ist. Ursprünglich beherbergte das Gebäude nahe des Schlossgartens allerdings keine Firmenbüros. Der Name Offizierskasino verrät es schon: Es wurde viele Jahre vom Militär genutzt.

Reinhard Parchmann schreibt in seinem Buch „Militärbauten in Meck­lenburg 1800 - 1918“ über die Entstehungsgeschichte des Kasinos: „Die Fläche zwischen der Alten Artillerie-Kaserne und dem Weg nach Ostorf sollte in die Anlage des Schloßparks einbezogen werden, unterblieb aber nach Fertigstellung der Kaserne. Gemeinsam mit dem Bau der Neuen Artillerie-Kaserne entstand schließlich eine Offizier-Speise­anstalt für alle Artillerieoffiziere.“ Das Haus habe einen exponierten Bauplatz an der höchsten Stelle des Ostorfer Berges mit einem herrlichen Blick über den Kreuzkanal auf das Schloss erhalten. Es war ja eben auch für höherrangige Truppenangehörige gedacht. „Das Feldartillerie-Regiment Nr. 60“, schreibt Parchmann weiter, „hatte einen Friedens­etat von 28 Offizieren und sechs Ärzten und Beamten (…) alle Offiziere sollten gemeinsam speisen und Gäste empfangen können.“ Von der Terrasse auf der Rückseite konnten die Herrschaften bis zum Ostorfer See schauen; jetzt entsteht genau in dieser Sichtachse das neue Depot- und Werkstattgebäude für das Kunstgut des Landes.

Der Bau der Speiseanstalt wurde vom Baurat Oscar Wutsdorff geleitet. Parchmann hat festgestellt: „In der äußeren Gestaltung verwendete Wuts­dorff Formen der Neorenaissance. Der dreiteilige, mit Terrakotten geschmückte Rundgiebel erinnert an die im 16. Jahrhundert unter Herzog Johann Al­brecht I. (1525 - 1576) errichteten Teile der Seeseite des Neuen Hauses des Schweriner Schlosses.“ Ähnliche Formen seien unter anderem auch am Schloss Wiligrad zu finden (1896 bis 1898 errichtet). Jedenfalls schafften es Fotos und Zeichnungen des Gebäudes sogar auf die Architekturausstellung 1900 in Dresden, als „Beispiel einer besonders gelungenen Kasernenanlage“.

Festlich eingeweiht wurde das Offizierskasino am 3. April 1900 nach zweijähriger Bauzeit. In Parterre befanden sich der Saal- und die Gesellschaftsräume; der Pächter des Kasinos hingegen wohnte im Obergeschoss. Höher hinaus ging es über eine Wendeltreppe in den Turm, der eine noch etwas schönere Aussicht bot (und jetzt wieder bietet) als von den Fenstern der ers­ten Etage.

Von den Großherzoglichen Feld­artilleristen übernahmen 1918 ihre Nachfolger – erst Reichswehr und dann Wehrmacht – das Offizierskasino. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs nutzten Angehörige der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland das Haus; bis zum Abzug der Sowjetarmee Mitte der neunziger Jahre wurde dort auch eine Lebensmittelverkaufsstelle für die sow­jetischen Armisten betrieben.
Ab 1994 stand das Offizierskasino leer und verfiel. Später ließ die Stadt den Bau zumindest sichern, so wurde 2007 der Turm eingerüstet. Jedoch hatte bereits 1998 ein Konsortium das einst prachtvolle Gebäude gekauft. Voran ging es in der Stellingstraße zunächst trotzdem nicht.

Im Jahr 2012 erwarb die Hydraulik Nord GmbH (Ende 2017 umbe­nannt in HN Holding GmbH) die frühere „Offizier-Speiseanstalt“, um dorthin ihre Firmenzentrale zu verlegen. Mit dem Umbau und der Sanierung begann das Unternehmen vor etwa drei Jahren. Aufgesetzt wurde ein moderner Bürotrakt, der zwar nach oben mit einem Flachdach abschließt, dem jedoch in Abstimmung mit der Denkmalpflege rein optisch ein Spitz­dach gegeben wurde.
Was sich von der alten Substanz des Hauses noch bewahren ließ, wurde erhalten. So arbeiteten Fachleute zum Beispiel historische Türen auf und stellten mit den Originalfliesen den Fußboden am Haupteingang wieder her. S. Krieg