07.12.2023

Hausgeschichten

Funktionsbau für das Theater

Das Magazin ist direkt mit dem Theatergebäude verbunden.
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Das innerstädtische Magazingebäude öffnete 1987 und erhielt 2001 eine weitere Etage

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal im Magazingebäude des Mecklenburgischen Staatstheaters, das Platz für Bühnenbilder, Requisiten und mehr bietet.

Ein bisschen staatstragend musste es schon sein. So waren es Werktätige des VEB Bau- und Montagekombinats, die am 1. Mai 1987 den Schlüssel für das neue Magazingebäude des Mecklenburgischen Staatstheaters an die stellvertretende Generalintendantin Ingrid Wille übergaben. In der Stadtchronik des Jahres ist das mit einem Foto dokumentiert. Das neue Gebäude füllte eine Lücke, die 1981 beim Abriss des alten Kulissenmagazins
entstanden war. 1908 hatte es der Architekt Gustav Hamann am Kleinen Moor 2/3 für das Theater errichtet, eine allzu lange Nutzungsdauer war dem Gebäude nicht beschieden gewesen.

Der Entwurf für das neue Funktionalgebäude kam ebenfalls aus dem Bau- und Montagekombinat. Als im Juli 1982 die Pfahlgründungen für
den neuen Großen Moor erfolgten, wurden auch die Pfähle für das Magazin mitgebohrt – jeder einzelne zwölf Meter lang. Im Dezember 1984 konnte
dann die Montage des Betonskeletts beginnen. Der zweigeschossige Bau verfügte bei seiner Eröffnung pro Etage über 1.200 Quadratmeter Stellfläche für 30 komplette Bühnendekorationen und war mit dem eigentlichen Theatergebäude über einen Trakt mit sieben Meter hohen Toren verbunden.

Mit 5000 Kilogramm bzw. 30 Personen ist die Tragfährigkeit des Aufzugs ausgewiesen. Und es bleibt nicht bei Personen: Auch ein Pferd stand schon mal drin. „Das war für die Inszenierung von ,Einer flog über das Kuckucksnest‘ und Gojko Mitic führte das Pferd über die Bühne“, sagt Theatersprecherin Franziska Pergande.

Heute befinden sich im Magazin jeweils die Kulissen für den aktuellen Spielbetrieb. Außerdem beherbergt das Gebäude die Requisite – und da lagert gefühlt: alles. Es gibt ja auch nichts, was in einem Theater nicht gebraucht wird – seien es nun Koffer, Kronleuchter oder Küchenschürzen.
Und auch, wenn es schwer vorstellbar erscheint: Die Mitarbeiter finden sich inmitten der vollgestopften Regale immer zurecht.

Ballettprobenraum, Schneiderei und eine eigene Wäscherei haben ebenfalls in dem Magazingebäude ihren Platz. Und wenn das funktionale Gebäude
von außen sicher nicht zu den schönsten der Stadt gehört, tut es der Blick aus der obersten Etage auf jeden Fall. Dort entstand nach der Wende ein weiteres Geschoss mit zusätzlichen 600 Quadratmetern Fläche, das Raum für die Theaterschneiderei und die Putzmacherei bietet. Die Schneiderei,
bis dato im oberen Umgang der Kammerbühne untergebracht, musste weichen, als aus der Kammerbühne wieder ein Konzertsaal wurde. Nun
freuen sich die Mitarbeiter über helle Atelierräume. Das Architekturbüro „Stadt und Haus Architekten und Ingenieure“ realisierte das zusätzliche Geschoss – und am 2. November 2001 konnte im Kulissenhaus ein weiteres Mal Richtfest gefeiert werden. Das neue Dach ist zu allen Seiten um sechs Meter zurückgesetzt, so dass sich die Aufstockung fast wie ein Penthouse optisch gut ins bestehende Gebäude einfügt.

Was eine harmonische Integration in eine bestehende Struktur betrifft, erzählt das Haus selbst allerdings auch eine andere Geschichte – die vom
Umgang mit Altbausubstanz in der Zeit der DDR. Sein Bau in den 1980er Jahren riss ein riesiges Loch in ein altes Stadtviertel. Mit dem Abriss zahlreicher kleiner Häuser in der 1. Glaisinstraße und am Kleinen Moor entstand damals eine innerstädtische Brache – eine Wunde, die heute zwar vernarbt, aber dennoch sichtbar ist.

Katja Haescher