Hausgeschichten PR-Anzeige
Eine Perle am Pfaffenteich
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in der Alexandrinenstraße 16, wo zwei Greife ein ehrwürdiges Stadthaus bewachen.
Dieser Blick! Wenn Christian Eggert in der Küche seinen Kaffee trinkt, schaut er direkt auf den Pfaffenteich. Er sieht die Jogger, die ihre Runden um Schwerins blaue Mitte drehen, die Radfahrer, Fußgänger und Flaneure. Klar, dass er davon überzeugt ist, am schönsten Ort der Stadt zu wohnen: „Die Schlossgartenallee hat schließlich keinen Pfaffenteichblick“, sagt er und nennt noch einen Grund, warum er gern hier lebt: Es ist sein Elternhaus und er freut sich, dass er es erhalten kann – in dritter Generation.
Christian Eggerts Großvater Max Bölckow kaufte das Gebäude 1901 und bewohnte mit seiner Familie die erste und zweite Etage. Der Großvater hatte von seinem Onkel Heinrich W. Ferdinand Bölckow, der die Eisenindustrie im englischen Middlesbrough begründet und hier ein Vermögen erworben hatte, Geld geerbt und konnte sich das große Stadthaus leisten. Errichtet worden war es um 1845 – nachdem Demmler 1840 mit dem Bau des Arsenals begonnen hatte, war die Häuserzeile entlang des Pfaffenteichs in Richtung Spieltordamm gewachsen. „Mein Großvater hat das Gebäude ausgesucht, weil er aus dem nach hinten gelegenen Raum zu ebener Erde in den Garten gehen konnte“, weiß Christian Eggert. Hinter dem Haus grünt und blüht dank des grünen Daumens von Dorothea Eggert eine kleine Oase mitten in der Stadt. Der alte Pferdestall auf dem Hof beherbergt heute ein Geschäft für Mobilfunk. Er entstand entstand 1852. Damals wohnten nach Eggerts Informationen im Hochparterre ein Human- und danach ein Veterinärmediziner, die eine eigene Ausspanne brauchten. Und auch Christian Eggert selbst kann sich noch an Zeiten erinnern, in denen der Stall der Familie gute Dienste leistete.
„Meine Eltern hatten nach ihrer Hochzeit 1934 im Jahr 1939 einen Resthof mit 116 Hektar Land gekauft und waren mit der Bodenreform von ihrem Besitz vertrieben worden“, erzählt der 67-Jährige. „So musste mein Vater im Alter von 44 Jahren und mit sechs Kindern seine Füße unter Schwiegermutters Tisch stellen.“ Mit Pferd und Wagen verdiente der Vater ab 1949 den Lebensunterhalt für die Großfamilie, zu der inzwischen zehn Personen gehörten. Der Stall hinterm Haus beherbergte mitten in der Stadt Kuh, Ziege, Schaf und Pony, außerdem gehörten Hühner, Enten und Tauben und natürlich Hund und Katz zum Anwesen.
„Ich musste schon als Vierjähriger mit einem kleinen Handwagen die Straße rauf- und runterfahren und Kartoffelschalen für die Viecher sammeln“, erinnert sich Christian Eggert. Das Pony zog dafür im Winter die Schlitten, die Christian und seine beiden jügeren Brüder hintereinander gebunden hatten. Das Haus blieb auch zu DDR Zeiten im Privatbesitz – anfallende Reparaturen erledigte die Familie selbst. So erhielt das Dach 1971 Dachpappe anstelle von Schiefer.
Heute ist das Haus mit den großen Räumen nach wie vor ein Schmuckstück – auch dank der sorgsamen Pflege durch das Ehepaar Eggert. Gern machen Vorübergehende Fotos, zum Beispiel, wenn sich das Weinlaub an der Fassade rot färbt oder ihnen die beiden Greife, die den Balkon tragen, ins Auge fallen. Sehr freut sich der Hausbesitzer auch darüber, dass die Straße inzwischen wieder Alexandrinenstraße heißt – für die Rückbenennung hat er sich aktiv eingesetzt. Noch heute erinnert er sich daran, wie es dazu kam: „Der damalige Bürgermeister Kwaschik hielt eine Rede am Sockel des Standbilds der Alexandrine im Grünhausgarten, zur Wiedereinweihung nach der Restaurierung. Ich bin hingefahren, habe zugehört und gedacht: Du meine Güte, Eggert, wenn die so viele Verdienste hat, hat sie es verdient, an den angestammten Platz zurückzukehren.“
Alexandrine, eine Tochter der berühmten Königin Luise und Friedrich Wilhelm III. von Preußen, hatte 1822 Paul Friedrich, Erbgroßherzog von Mecklenburg-Schwerin, geheiratet. Das Paar lebte zunächst in Ludwigslust, damals Sitz des regierenden Herrschers. Als Paul Friedrich dieses Amt 1837 antrat, verlegte er die Residenz zurück nach Schwerin. Alexandrine gründete mehrere Stiftungen, darunter das Alexandrinenstift in Ludwigslust, einen der ältesten Kindergärten Deutschlands.Für Christian Eggert ist es ein gutes Gefühl, mit dem Namen der Großherzogin ein Stück Historie in die geschichtsträchtige Straße zurückgeholt zu haben. Als Nächstes will er sich für eine Tafel mit Informationen zu Alexandrine einsetzen, die 1892 im Alter von 89 Jahren starb und gleich gegenüber im Schweriner Dom ihre letzte Ruhe fand.