16.01.2009

Hausgeschichten PR-Anzeige

Ein Traum vom Süden

Hinter Schweriner Fassaden
Das Haus in der Werderstraße 73 vor der Sanierung
like-imagelike-image
share email
dislike-imagedislike-image

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer waren und sind die Bewohner? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen an Türen klingeln und hinter Fassaden blicken. Heute in der Werderstraße 73, wo Architekt Roland Schulz ein altes Fachwerkhaus zu einem modernen Multifunktionshaus umgestaltet hat.

Die Fassade zur Werderstraße ist schlicht: Fachwerk und Steine, gestrichen in zurückhaltenden Farben. Ein einfacher Hausflur und an dessen Ende die Tür zum Hof. Roland Schulz weiß genau, was passiert, wenn er sie öffnet: „Ahhh!“, sagen die Besucher dann oder auch „Oho“ und „Aha“. Denn jetzt blicken sie in einen Patio, einen Innenhof mit südländischem Flair, der vom alten Vorderhaus und einem eingeschossigen Anbau umschlossen wird. Doch gibt es kaum Wände im herkömmlichen Sinne: Eine Konstruktion aus Eichenfachwerk nimmt das bauliche Konzept des Vorderhauses auf, die Gefache füllen hier jedoch zweiflüglige Fenstertüren, die vom Boden bis zur Decke reichen. „Im Sommer öffnen wir sie und wohnen dann nur noch unter dem Dach“, beschreibt Roland Schulz einen Traum vom Süden, den sich seine Familie mitten im norddeutschen Schwerin erfüllt hat.

Dabei wollte der Architekt das Gebäude eigentlich gar nicht anfassen. „Wir suchten ein Haus in Schwerin und waren zu diesem Zweck mit einem Makler unterwegs“, erinnert er sich an die erste Begegnung. „Nach zwei Stunden sagte der: Ich habe da noch etwas, aber es ist ein schwieriges Teil.“ Das aus dem Jahre 1760 stammende Vorderhaus in der Werderstraße stand zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre leer. Eine ungenügende Gründung und Hausschwammbefall machten die Liste der Baukatastrophen komplett, der Innenhof war mit vielen angeflickten Nebengebäuden und Gewächshäusern gefüllt. Es gab aber auch noch alte Bäume und Grün, erinnert sich Roland Schulz: „Als wir auf den Hof kamen, sagte meine Frau: Der ist aber schön!“

Das Gebäude bot weitere Vorzüge: „Man ist mittendrin in der Stadt, bis zum Dom ist es nur um die Ecke“, zählt Roland Schulz auf. Der große Garten hinter dem Haus hielt die damals noch unsanierte und laute Werderstraße auf Abstand. Und es gab die Möglichkeit, aus einem normalen Haus etwas Besonderes zu machen.
Dabei mussten verschiedene Bedürfnisse unter ein Dach gebracht werden. Im Erdgeschoss entstand die Wohnung der sechsköpfigen Familie, die aus dem historischen Vorderhaus über Patio und Anbau bis in den Garten reicht. In der Wohnung führt eine Treppe nach oben. Das erste Stockwerk ist zurzeit Kinderetage, kann aber auch separat genutzt werden. In diesem Fall ist der Zugang über das „öffentliche“ Treppenhaus gewährleistet, das auch in Roland Schulz‘ Arbeitsetage in Stockwerk Nummer zwei führt. Im alten Vorderhaus übernimmt ein Stahlrahmen die Stützfunktion der historischen Mittellängswand. Dies ermöglicht Raumgrößen, die heutigen Wohnvorstellungen entsprechen, ist aber auch schon der wesentlichste Eingriff in die historische Bausubstanz.

Die stark beschädigte Fachwerkkonstruktion wurde wieder hergerichtet und auch neu eingefügte Teile folgen exakt dem Duktus des denkmalgeschützten Vorderhauses. „Ein Haus muss nicht aussehen, als sei es für eine Designerzeitschrift errichtet. Ein Haus muss gelebt werden und hohe Anforderungen an Wohn- und Lebensqualität erfüllen“, fasst Roland Schulz seine Erwartungen zusammen. Dass es ihm im Falle der eigenen vier Wände gar nicht so leicht fiel, sie zu erfüllen, verschweigt er nicht. „Mein erster Gedanke war wirklich: Was mache ich jetzt mit der alten Gurke?“, erzählt er. „Schließlich ist es immer eine Herausforderung, etwas Vorhandenes so zu verändern, dass es trotzdem seine Würde behält. Und wenn ein Architekt für sich selbst baut, ist es noch schwieriger.“
Roland Schulz hat die Herausforderung gemeistert. Aus der „alten Gurke“ ist ein abgerundetes Menü geworden, mit Zutaten aus dem Mittelmeerraum und solchen, die es vor der eigenen Haustür gibt. 2005 erhielt das Projekt den Baupreis der Landeshauptstadt Schwerin, der unter dem Motto „Attraktive Innenstadt“ ausgelobt wurde.

Mit der neu sanierten Werderstraße hat das Haus der Familie Schulz gleich noch einmal gewonnen. „Es gibt im Zentrum nicht viele Häuser mit solcher Lebensqualität“, ist der Architekt überzeugt, der seit 2001 mit seiner Familie im Herzen von Schwerin lebt.