16.03.2018

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„Die Raumnot wurde so groß“

Das Brandensteinsche Palais in der Puschkinstraße 13 wurde vor 215 Jahren gebaut
Das Brandensteinsche Palais dieser Tage Foto: S. Krieg
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das Brandensteinsche Palais.

Ende des 19. Jahrhunderts war der Schweriner Verwaltungsapparat so groß geworden, dass es im Rathaus trotz mehrfacher An- und Umbauten zu eng wurde. Dr. Wilhelm Jesse schreibt in seiner „Geschichte der Stadt Schwerin“: „Im neustädtischen Rathaus mußte 1900 das Standesamt dem neuen Stadtbauamt und der Baupolizei weichen. Die Raumnot wurde allmählich so groß, daß die Stadt im selben Jahre das von Brandensteinsche Haus an der Königstraße (…) erwarb und für Grundbuchamt, Standesamt und Waisengericht (…) umbauen ließ.“

Kleiner Exkurs: Die Puschkinstraße wurde erst so 1949 bezeichnet; zuvor hieß sie lange Zeit Steinstraße und danach ab 1819 Königstraße.

Zwölf Jahre später siedelte das Standesamt in das Nachbarhaus über, das die Stadt kurz zuvor gekauft hatte, dafür zogen Stadtkasse und Steuerverwaltung vom Rathaus ins Brandensteinsche Palais und das Grundbuchamt ins Stadthaus. Direkt nach dem Erwerb ließ die Stadt das Haus umfangreich umbauen, der Balkon zur Straße ver­schwand, und es wurde über einen Anbau ein neuer Zugang von dieser Seite geschaffen. Außerdem ließ die Verwaltung einen gro­ßen Kassensaal einbauen.

Wer das Haus wann genau errichtet hat, darüber gibt es keine Unterlagen mehr. Der Bauforscher Dr. Tilo Schöfbeck hat sich aber die verwendeten Holzbalken genau angesehen und dendrochronologisch untersucht. Die Bauzeit lasse sich präzise auf das Jahr 1703 bestimmen, während die Dachkonstruktion erst ein oder zwei Jahre später abgeschlossen worden sei, stellte er in seinem Gutachten fest. Auch dass bereits 1765 groß umgebaut wurde, ermittelte Schöfbeck. Dafür seien übrigens Teile eines 1532 entstandenen Fachwerkgebäudes verwendet worden, das offenbar als Baumaterialspender abgerissen wurde.

Stilistisch erinnert der Bau an Spät­barock und Klassizismus. Der Bauherr habe sich aber wohl eher an frühbarocken Formen orientiert, wie Schöfbeck vermutet. Diese seien jedenfalls um 1700 in der Herrenhausarchitektur sehr verbreitet gewesen.

Erster erwähnter Besitzer war Justizrat Heinrich von Dorne (so 1747 auf einer Karte vermerkt), der seiner Frau Marie Elisa­beth laut Tes­tament (von Dorne starb 1752) lebenslanges Wohnrecht in dem Haus zusprach; das Palais gehörte fortan einer Erbengemeinschaft. Marie Elisa­beth heiratete 1754 Carl Friedrich Graf von Bassewitz. Das Paar sowie ihre Kinder lebten jahrzehntelang in dem Gebäude in der damaligen Steinstraße. In die Von-Bassewitz-Zeit fielen auch die oben erwähnten Umbauten. Schöfbeck schreibt: „Das Haus erhielt eine neue Farbfassung und ein kräftiges, weit auskragendes Gesims.“

Um 1797/98 kaufte August Georg von Brandenstein das Haus. Der spätere Präsident des Geheimen Rates ließ kurz darauf einen Mittelgiebel errichten und stattete das Palais im Inneren neu aus. Außerdem ergänzte von Brandenstein sein Grundstück hinterm Haus nach und nach um weitere Hofgebäude, die sich an bereits bestehende anschlossen. Diese Bauten mussten 1900 weichen (ebenso wie ein schöner Garten), um Platz zu schaffen für die Schelfschule (siehe dazu Schwerin live, Januar 2018).

Im Jahr 1850 oder 1851 ging die Immobilie in den Besitz der großherzoglichen Verwaltung über. Friedrich Franz II. ließ das Anwesen vor allem als Fremdenhaus nutzen. Doch schon 1856 kaufte die Familie von Brandenstein das Palais zurück und behielt es bis Ende 1899. Es war aber nicht nur Wohnsitz der von Brandensteins; unter anderem kamen dort auch diverse Offiziere unter.

Seit 1900 wurde das Palais dann also von der Verwaltung genutzt. Und so blieb es auch in den folgenden Jahrzehnten. Zu DDR-Zeiten diente es zunächst ebenfalls der Stadtverwaltung als Domizil, war dann aber vor allem Heimstatt von Schulen. Zuletzt war die Berufsschule „Dr. Salvador Allende“ dort ansässig. 1991 zogen die Volkshochschule und das Konservatorium in das Brandensteinsche Palais. In den Jahren 2004/05 ließ die Stadt das Haus für 2,4 Millionen Euro umfangreich sanieren, wobei es teils (Farbe, Fens­ter) seine historische Optik wiederbekam.

Heute befinden sich in dem Palais in der Puschkinstraße 13 das städtische Kulturbüro samt Kulturinforma­tionszentrum, das in den früheren Kassensaal eingezogen ist, sowie Räume der Volkshochschule und des Konservatoriums. S. Krieg