Hausgeschichten PR-Anzeige
Dem Himmel ein Stück näher
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute im Dom, einem Bauwerk, das wie kein anderes die Schweriner Altstadt prägt.
Wer sagt eigentlich, dass Schwerin keinen Wolkenkratzer hat? Der Turm des Doms strebt 117,5 Meter in die Höhe und ist damit der höchste Kirchturm in Mecklenburg-Vorpommern. Manche sagen sogar in ganz Ostdeutschland, aber das hat Gerlinde Haker vom Dom-Förderverein noch nicht bestätigen können. Fest steht aber, dass jeder, der sich der Stadt nähert, die aufragende Spitze in der Silhouette schon von weitem ausmachen kann. So grüßt zuerst der Dom Heimkehrer und Neuankömmlinge.
Die Bischofskirche ist das einzige verbliebene Gebäude der Stadt, das aus dem Mittelalter stammt. Schwerins Stadtgründer Heinrich der Löwe selbst legte 1171 den Grundstein auf einem Hügel in der heutigen Altstadt. Doch der romanische Löwendom hatte nicht lange Bestand. Nur 25 Jahre nach seiner Fertigstellung im Jahr 1248 begannen die Arbeiten an einer neuen, viel größeren Kirche. Mit 105 Metern sollte sie fast doppelt so lang sein wie ihr Vorgängerbau und ganz nach der neuen, gotischen Mode: mit aufstrebenden, schlanken Pfeilern, spitzen Bögen und einem Gewölbe, das zu schweben schien. Ein Grund für den Neubau nach so kurzer Zeit war der „Blutstropfen Christi“, den Heinrich von Schwerin 1222 aus dem Heiligen Land mitbrachte und der den Dom zum Wallfahrtsort machte. „Es muss eine bedeutsame Reliquie gewesen sein, denn mit der Größe und dem Stellenwert der Stadt Schwerin lässt sich eine Kathedrale solcher Größe nicht erklären“, sagt Domprediger Albrecht Martins. Er hat schon oft beobachtet, wie Menschen zuerst nach oben schauen, wenn sie den Dom betreten. „Die Betonung des Vertikalen ist in gotischen Kirchen bewusst inszeniert. Hier darf der Mensch Mensch sein, aber gleichzeitig gibt es etwas viel Größeres“, sagt der Pastor und fügt hinzu:
Die meisten Besucher betreten den Dom durch das Marktportal. Manchmal ist aber auch das Hauptportal geöffnet, durch das die Eintretenden durch das Langhaus auf Altar und Chor zuschreiten. „Anfang Mai gibt es Tage, an denen die Sonne frühmorgens genau auf die Rosette hinter dem Altar fällt und den ganzen Dom in Farbe taucht. Unser Küster sagt, dass es sich allein für diese Tage lohnt, hier zu arbeiten“, erzählt Albrecht Martins. Die wunderbaren Glasfenster gehören zu den Schätzen, die der Dom birgt. Das gilt besonders für das Fenster, das der Berliner Hofmaler Peter von Cornelius für die Heilig-Blutskapelle entwarf, die der junge Großherzog Friedrich Franz II. nach dem Tod seines Vaters Paul Friedrich zur Begräbnisstätte des Großherzoglichen Hauses bestimmte. In einer anderen Gruft unter einer Seitenkapelle ruht Johann Albrecht I., Bauherr der Schlosskirche und als fortschrittlicher Renaissancefürst Förderer von Kunst, Kultur und Bildung. Zu den wertvollsten Grabplatten des Doms gehören die vierer Bischöfe der Familie von Bülow. Die gravierten Messingplatten hängen an der nördlichen Querhauswand und zeigen je zwei liegende Gestalten in vollem Ornat. Wer dicht davor steht, entdeckt zusätzlich einen ganzen Kosmos von Figuren: zottlige Wesen, die Jungfrauen rauben, Löwen und Fabeltiere. Einen Bilderreigen offenbart auch der Loste-Altar, den Bischof Conrad Loste 1495 stiftete. Und selbst wenn viele Ausstattungsstücke im Laufe der Jahrhunderte verschwunden sind, bewahrt Schwerins größte Kirche viele Spuren der Stadtgeschichte. Genauso, wie hier Geschichte geschrieben wurde: Gerlinde Haker kann sich noch gut erinnern, wie die Menschen hier 1989 zu den Friedensgebeten drängten. Tausende nahm der Dom damals auf, viele weitere standen draußen auf dem Markt. Dass der Dom als Wahrzeichen jahrhundertelanger Historie weithin sichtbar ist, verdankt das Bauwerk übrigens dem Grafen Arthur von Bernstorff. Dieser, so wird erzählt, wollte auch von seinem Stammsitz im 30 Kilometer entfernten Wedendorf den Schweriner Kirchturm sehen.
Mit einer großzügigen Spende finanzierte er den Bau des Turms, der heute die Stadtansicht entscheidend prägt. Wer die 220 Stufen bis zur Aussichtsplattform steigt, schaut aus 46 Metern Höhe auf die Stadt zu seinen Füßen. An klaren Tagen reicht der Blick bis zur Ostsee.