10.12.2021

Hausgeschichten

Das Haus des Hoflieferanten

Das Domizil des Traditionsunternehmens F. A. Wöhler
Im Zuge der Sanierung von 1999 bis 2001 wurden auch die schönen Bleiglasfenster wieder eingesetzt, die lange eingemottet waren.
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das Weinhaus Wöhler in der Fischerstraße, Ecke Puschkinstraße.

Manch einer beneidete F. A. Wöhler um sein Prestige. Bereits im Jahr der Gründung seiner Weingroßhandlung, 1819, durfte er sich „Hofkellermeister des Großherzogs von Mecklenburg“ nennen; 1908 wurde er außerdem „Hoflieferant ihrer Majestät der Königin Wilhelmina der Niederlande“, und ab 1914 obendrein „Hoflieferant der Großherzogin Marie von Mecklenburg und der Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen“.

Die „Wöhlersche Kellerei“ ging hervor aus dem Unternehmen des Hofkellermeisters Braunwald, das sich am Markt gegenüber dem Dom befand.

Wer den Adel mit feinsten Alkoholika versorgen durfte, musste auf jeden Fall ein repräsentatives Domizil sein Eigen nennen. Die Wöhlers bezogen ihres unweit des Sitzes von Braunwald in der Königstraße (heute Puschkinstraße 26), Ecke Fischerstraße. Wohl ab Mitte des 18. Jahrhunderts stand an dieser Stelle schon ein Haus, das jetzige dürfte aber um einiges jünger sein. Später wurde auch das Haus Fischerstraße 2 miteinbezogen.

Laut eines architektonischen Gutachtens von Ende 1990 handelt es sich beim Haus Puschkinstraße 26 um „ein 2-geschossiges Traufenhaus mit 4-geschossigem Mittelteil (Drempelgeschoss)“. Es sei wohl um 1770 von einem Architekten namens Busch errichtet worden. Am Giebel dieses Hauses prangte schon lange der Schriftzug des Inhabers, der im Detail dann und wann variierte. Noch heute sieht man aus Richtung Markt kommend schon von Weitem die güldenen Lettern „F. A. Wöhler“. Die beiden Initialen hatten übrigens nicht immer dieselbe Bedeutung. So übernahm 1926 Friedo Albrecht von seinem Vater Friedrich Albrecht die Weingroßhandlung samt Restaurant.

Die Gaststätte entstand erst 1895 im Zuge eines gro-ßen Umbaus. Friedo Albrecht Wöhler ließ 1927, also kurz nachdem er die Geschäfte in seine Hände genommen hatte, erneut umfangreich sanieren. In diesen Tagen erhielt das Eckhaus seine schmucke Fassade, wie sie seit 20 Jahren wieder zu sehen ist.

Den Gewölbekeller nutzte jeder Wöhler seit 1819 zur Lagerung seiner edlen Bordeaux-Weine – und das bis zum Ende des zweiten Weltkriegs. Als große Teile der Familie 1945 die Stadt verließen, verboten ihnen die Besatzer, die Fässer mitzunehmen. Die heutige Geschäftsführerin Nicole Menke-Borchers sagt: „Aus Groll dar-über und weil die Wöhlers meinten, die Soldaten würden den feinen Bordeaux ohnehin nicht trinken, setzten sie den Keller komplett unter Wasser.“ Erst 1963 sei der Keller wieder trockengelegt, dafür jedoch mit Schutt und allerhand anderem Müll zugekippt worden.

Nachdem ein Pächter ein paar Jahre lang das Weinrestaurant betrieben hatte, wurde es 1959 als HO-Gaststätte „Weinklause“ verstaatlicht. Schweri-ner, die etwas auf sich hielten, blieben aber bei der alten Bezeichnung. Irgendwann hieß die Lokalität dann auch wieder „Wöhlers Weinstuben“. Im Schweriner Telefonbuch von 1982 stand das Restaurant jedenfalls unter diesem Namen. Im Folgejahr war die Gaststätte nicht mehr in dem Verzeichnis zu finden, denn sie musste 1983 wegen eklatanter Schäden an der Bausubs-tanz geschlossen werden.

Denkmalpfleger lagerten unter anderem die Bleiglasfenster, Vertäfelun-gen, Kastendecken und Fresken sorgfältig ein. Anschließend wurden die Fenster verbrettert, und das war‘s dann für 16 Jahre mit der Geschichte des traditionsreichen Gasthauses. Ein bisschen Leben gab es noch in der Puschkinstraße 26, wo unter anderem ein Eisenwarenladen eine Weile sein Geschäft betrieb.

1999 kauften drei Investoren aus Schleswig-Holstein und einer aus Schwerin die Immobilie, ließen sie sanieren und nach historischem Vorbild wieder zu einer feinen Gaststätte um-bauen. Fenster und Holzelemente bekamen ihren alten Platz zurück; einige Teile wurden originalgetreu und denkmalschutzgerecht neu angefertigt. Freigelegt wurden während der Arbeiten auch Wandgemälde, die bis dahin hinter einer Bretterwand ihr Dasein fristeten. Sie zeigen Weingüter am Rhein; die DDR-Bürger sollten wohl keine Sehnsucht nach diesen Regionen im Westen Deutschlands bekommen.

Wo man schon mal beim Bauen war, entstanden in den oberen Etagen unter anderem Separees und darüber Hotelzimmer. Anfang April 2001 öffnete das Weinhaus Wöhler inklusive Weinhandlung nach 18 Jahren endlich wieder. Der Gewölbekeller steht seitdem als Raum für Feiern zur Verfügung. S. Krieg