18.06.2021

Hausgeschichten

Das Bankhaus an der Ecke

In der Wismarschen Straße 129 geht‘s ums Geld
Das heutige Sparkassengebäude in der Wismarschen Straße 129
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: die Wismarsche Straße 129.

Hier ging es schon immer ums Geld. Na gut, ganz so stimmt es nicht, denn es gab an dieser Ecke bereits vorher ein Gebäude, dies war 1840 gebaut worden und beherbergte die Wagenfabrik Florkowski. 1902 hieß es jedoch: Abriss, da kommt etwas Neues hin. Die Mecklenburgische Spar-Bank ließ sich ein prachtvolles Gebäude mit Turm und Schnörkel errichten. Man wollte ja auch repräsentieren.

Bernd Kasten schreibt in dem Buch „Schwerin, Geschichte der Stadt“, die Spar-Bank habe in dieser Phase wie andere Geldhäuser mit ihren Bauten „den Aufstieg Schwerins zum Finanzzentrum der Region“ gezeigt.
Mit dem Bau beauftragt wurde die Firma von Gustav und Adolf Stange; die Pläne stammten vom Architekten Georg Roensch. Die Arbeiten begannen 1903. Am 24. November 1905 verkündete die Spar-Bank in einer Anzeige in der Mecklenburgischen Zeitung für den 27. November die Aufnahme des Geschäftsbetriebs „in unserem neuen Bankgebäude Wismarschestraße No. 56, Ecke Arsenalstrasse, Kassenstunden 9 - 1 Uhr und nachmittags 3 - 5 Uhr“.

Im Keller wurden übrigens nicht Banknoten gestapelt, sondern die Räume ganz unten mietete die Firma Uhle, um sich dort über zwei Ebenen auf 1.800 Quadratmetern einen Weinkeller einzurichten. Ob die berauschenden Verlockungen des Weins den Bankbetrieb beeinträch­tigten, ist nicht überliefert.

Im Zuge der Inflation, die etwa ein Jahrzehnt nach der Fertigstellung des Hauses begann, kam es bei den Banken zu einer große Fusionswelle. Die Meck­lenburgische Hypotheken- und Wechselbank schloss einen Teil ihres Geschäfts mit der Spar-Bank zusammen; so entstand die Mecklenburgische Depositen- und Wechselbank (kurz: Depobank), die 1933 die Rostocker Bank übernahm, welche sich kurz vorher die Rostocker Gewerbebank einverleibt hatte. Egal, wie das Kreditinstitut gerade hieß und welche Verflechtungen dahinter standen – eine Zweigstelle blieb immer in dem Jugenstilhaus in der Wismarschen Straße.

1929 und 1930 wurde innen umgebaut, während die Fassade heute im Prinzip noch so aussieht wie 1905.

Im Zuge des Potsdamer Abkommens wurden im August 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone alle bestehenden Banken geschlossen, deren Geschäftsbetrieb ging auf die neu gegründeten Landesbanken über. In der Wismarschen Straße 129 residierte nun also die Landesbank Mecklenburg. Auf diese folgte Ende 1948 die Deutsche Investitionsbank.

Kleiner Exkurs zu den Hausnummern: Die Nationalsozialisten legten die heutige Goethestraße und die Wismarsche Straße zu einer Straße zusammen, der Adolf-Hitler-Straße, und nummerierten die Häuser neu durch; so wurde aus der 56 die 129. Direkt nach dem Krieg ging es zurück zur Zwei-Straßen-Lösung, die Hausnummern blieben jedoch, weswegen die Wismarsche Straße heute nicht mit der 1, sondern mit der 104 anfängt.

Die Investitionsbank hatte bis Ende 1967 ihren Sitz in dem Eckgebäude. Noch in dieser Zeit, Anfang der 1960er Jahre, verschwand der Turmaufsatz; erst im März 1999 wurde zum Abschluss einer umfangreichen Sanierung diese sogenannte Laterne wieder installiert.

Im Januar 1984 eröffnete die Stadt- und Kreissparkasse in dem Haus ihre Zweigstelle 8 mit einem Jugendkollektiv. Ein Jahr zuvor begann bereits der provisorische Betrieb an zwei Schaltern in einem Nebenraum der Datenerfassungsstelle der Sparkasse, die schon länger dort untergebracht war. Von 2015 bis 2018 wurde das Gebäude nochmals saniert. S. Krieg