12.12.2014

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Backsteinbarock vom Feinsten

Schweriner Schelfkirche prägt seit 300 Jahren ihren Stadtteil
Die Schelfkirche wurde geweiht im Jahr 1713. Foto: R. Cordes
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in der Kirche St. Nikolai, die seit 300 Jahren die Schelfstadt prägt.

Wenn Küster Lothar Dornau von der Schelfkirche spricht, fallen ihm einige Superlative ein. Der älteste Turm der Stadt. Die älteste öffentliche Uhr. Die jüngste Gemeinde. „Und es ist die einzige Kirche mit Gebrauchsanweisung“, sagt Dornau und weist auf die Schrift über dem Eingangsportal. Dort steht in Stein gemeißelt, was Herzog und Bauherr Friedrich Wilhelm mit diesem Sakralbau im Sinn hatte: Gott zu Ehren sollte er sein, seinen Untertanen zur Übung der Gottseligkeit und seinem Körper zur letzten Ruhe. Und in der Tat: Schon die Weihe der Kirche im September 1713 erlebte der Stifter nicht mehr. Er starb im Sommer des Jahres im Alter von nur 38 Jahren. Seine Beisetzung in der Gruft unter dem Chor war die erste große Zeremonie, die in der Schelfkirche stattfand.

Die Gruft mit 17 Bestattungen ist eine der wichtigsten Grablegen des Herzoghauses von Mecklenburg-Schwerin. Hier fand auch Herzog Christian Ludwig II., dem Schwerin die kostbare Gemälde­sammlung verdankt, die letzte Ruhe. Durch eine Glastür ist ein Blick auf die alten Särge möglich. Dass sich dieses Fenster in die Vergangenheit heute öffnet, verdankt die Schelfkirchengemeinde unter anderem der ostdeutschen Sparkassenstiftung, die eine umfassende Restaurierung der von Hausschwamm und Schimmel nahezu zerstörten Krypta möglich machte.

Was die Schelfkirche wirklich besonders macht, ist aber nicht ihr Innenraum, der im 19. Jahrhundert umgestaltet wurde. Es ist die bauliche Hülle aus einem Guss, das Backsteinbarock mit Sand­stein­elementen, das sich zum Beispiel auch am Hamburger Michel findet und das seit 300 Jahren nahezu unverändert ist. Der barocke Bau ist jedoch nicht die erste Kirche auf der Schelfe. „Bereits 1217 ist hier ein Pfarrer erwähnt“, weiß Lothar Dornau und fügt hinzu: „Wahrscheinlich ist die jetzige Kirche die vierte Nikolaikirche an dieser Stelle.“

Überliefert ist, dass im Jahr 1703 ein Orkan den Turm des Vorgängerbaus zerstörte und dieser daraufhin abgerissen wurde. Das nun folgende Projekt, der erste große nachreformatorische Kirchenbau Mecklenburgs, passte zu den ambitionierten Plänen, die Herzog Friedrich Wilhelm mit der bestehenden Siedlung auf der Schelfe verfolgte. 1705 hatte der Herrscher die „Declaration von Anbau und Extendierung der bey der Alten Residentz-Stadt und Vestung Schwerin nahe anliegenden so genannten Schelfe“ verfügt und damit den Weg für die Entstehung eines neuen Stadtteils frei gemacht.

Das war dem Herzog durchaus etwas wert: Mit „Fördermitteln“, zum Beispiel in Form von Baukostenzuschüssen, lockte er potenzielle Investoren. 1708 wurde der Grundstein für die Schelfkirche gelegt.
Heute ist die Nikolausglocke aus dem Jahr 1517 das älteste „Erb­stück“ des Gotteshauses. Zwei weitere Glocken des Geläuts sind aus Eisen und erzählen Geschichte aus den dunklen Jahren des 20. Jahrhunderts: Im ersten Weltkrieg waren zwei Glocken der Schelfkirche zur Metallgewinnung für die Rüstungsindustrie eingeschmolzen worden. 1924 ließ die Gemeinde neue Bronzeglocken gießen, die dann im Zweiten Weltkrieg ebenfalls dem Rüstungswahn zum Opfer fielen. Im kommenden Jahr, sagt Küster Dornau, werden die bereits stark beschädigten Eisenglocken durch Neugüsse ersetzt. Möglich wird dies dank einer großzügigen Spende.

Bei dieser Gelegenheit, hofft der Küster, wird vielleicht auch der Engel über dem Eingangsportal sein Schwert zurückbekommen. Dieses war im Laufe der Jahre verlorengegangen – aufgrund der allegorischen Darstellungen war lange lediglich klar gewesen, dass auch diese Figur ein Attribut gehabt haben musste. Dann tauchte eine alte Zeichnung des Portals auf – und mit ihr eine Abbildung des gezackten Schwerts in den Händen des Engels.

Auch das Nord- und Südportal der Schelfkirche bewachen Himmelsboten. Über dem Südportal tragen sie Säsack und Sichel – als Symbole für den Beginn und das Ende des Lebens. Geht man davon aus, dass die Portale für Amtshandlungen standen, wird klar, dass durch diesen Ausgang die Särge auf den Friedhof geleitet wurden. Bis 1780 bestand der Gottesacker an der Schelfkirche. Das Nordportal wiederum krönen Engel, von denen der rechte einen Anker trägt  – es war der Ausgang für die Frisch-Vermählten. „Einmal hatten wir sogar ein Brautpaar, das bewusst durch dieses Portal in die Kirche gezogen ist“, erinnert sich Dornau. Die Symbolik unterstreichen die über der Tür in Sandstein geschriebenen Worte aus den Korintherbriefen des Neuen Testaments: „Nun bleibet Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drey, aber die Liebe ist die größte von ihnen.“ Katja Haescher