15.12.2017

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„Architektonischer Formwille“

Am 14. Dezember 1930 wurde die Trauerhalle mit Krematorium auf dem alten Friedhof eingeweiht
Die Friedhofshalle heute: Der Anbau links passt optisch nicht, er kam erst 1948 hinzu. Foto: S. Krieg; Zeichnungen: Stadtarchiv
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: die Friedhofshalle auf dem alten Friedhof.

Stadtbaurat Andreas Hamann sagte zur Einweihung der Halle am 14. Dezember 1930, eine Friedhofskapelle müsse ernst und schlicht sein. Er habe sich daher bemüht, in den Architekturformen so einfach wie möglich zu sein, nur darauf bedacht, durch gute Verhältnisse die Wirkung zu erzielen. So berichtete es jedenfalls am 15. Dezember 1930 die „Meck­lenburgische Zeitung“ (M.Z.).

„Bauhaus“ erwähnte Hamann nicht, war aber offensichtlich von diesem Stil beeinflusst. Oder wie es der
Autor der M.Z. ausdrückte: „Der spielerischem Schmuck feindliche, vom reinen Zweckgedanken geleitete architektonische Formwille unserer Zeit … hat hier an einem durch seine Zweckbestimmung dafür gleichsam vorausbestimmten Objekt seine glückliche Verkörperung gefunden.“
Zu der Halle gehörte seinerzeit auch noch das Krematorium, das bis 1995 in Betrieb war, dann wurde die Feuerbestattungsanlage auf den Waldfriedhof verlegt.

Bevor die Friedhofshalle auf dem heute alten und damals neuen Friedhof errichtet war, wurden die Anlagen auf dem Domfriedhof genutzt, der sich hinter dem heutigen Fridericianum befand (deswegen heißt der Weg dorthin auch Totendamm). Die Einrichtungen des 1788 eingeweihten Friedhofs in der Innenstadt verfielen aber nach knapp 150 Jahren immer mehr. Joachim Saschenbrecker, Oberbürgermeister von 1926 bis 1933, erläuterte: „Eine Instandsetzung und die notwendige Erweiterung der Anlage war unwirtschaftlich und unpraktisch, unpraktisch vor allem deshalb, weil die Leichen nach der Trauerfeier auf dem Domfriedhof erst durch die Stadt nach dem neuen Friedhof gebracht werden mussten.“

Die vorhandene Halle auf dem neuen Friedhof konnte wegen umliegender Gräber auch nicht erweitert werden. Also Neubau. Der Platz dafür war schnell gefunden. Einerseits  wurde die gewählte Fläche durch schöne Bäume umgeben, andererseits war der Ort gut erreichbar, weil die heutige Rogahner Straße schon seinerzeit dicht daran vorbeiführte. 1932 wurde noch die Zufahrt zum Krematorium von der Wallstraße ausgebaut.
Die zunächst geplante Variante der Friedhofshalle lehnte die Stadtverordnetenversammlung ab; der Bau wäre mit geplanten Kosten von rund 325.000 Reichsmark zu teuer geworden. So schlug Stadtbaurat Andreas Hamann eine deutlich kleinere Version vor, die um etwa ein Drittel güns­tiger war. Damit waren die Stadtverordneten einverstanden. Die Bauarbeiten begannen im Herbst 1929.

Der fertige Komplex umfasste dann eine Trauerhalle, Leichenkammern und eben das Krematorium. Die Leichenkammern befanden sich direkt unter der 11 mal 15 Meter großen Trauerhalle. Um der Andachtsstimmung gerecht zu werden, habe der Stadtbaurat die Fenster farblich entsprechend gestaltet – von violett über blau bis gelb. (Einige der Fensterscheiben wurden am 25. August 1944 durch einen Luftangriff zerstört und später erneuert.) Für das große Feld im Chor wählte er aus derselben Erwägung blaue und silberfarbene Keramik. Die Empore aber sei im Gegensatz dazu in den warmen Farbtönen Braun und Gelb gehalten, „um die von der Andacht Kommenden wieder zurückzuführen zum Leben draußen“. (M.Z.)

Im Jahr 1948 bekam die Friedhofshalle einen Anbau für die Gerichtsmedizin, der die Optik des Hauses nur in seiner Backsteinfassade aufnahm, nicht aber die schlichte geradlinige Architektur. Heute befindet sich darin eine Außenstelle des Instituts für Gerichtsmedizin der Uni Rostock.
Der als Trauerhalle errichtete Trakt wird nach wie vor für Trauerfeiern genutzt; außerdem befinden sich im hinteren Teil des Komplexes Büros der Friedhofsverwaltung.

Saschenbrecker schloss seine Rede zur Einweihung der Friedhofshalle vor 87 Jahren so: „Dieser Bau ist den Toten geweiht. Möge er durch seine Einrichtungen und seine schöne und würdige Form allen, die hierher kommen, bezeugen: Die Stadt Schwerin will auch in schwersten Zeiten nicht vergessen, ihre Toten zu ehren.“ Andreas Hamann ist ebenfalls auf dem alten Friedhof begraben. S. Krieg