09.09.2013

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Altes und Neues in Harmonie

Katholische Propsteikirche St. Anna birgt zahlreiche kunsthistorische Schätze
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in einem Gebäude, das die Schloßstraße prägt – der katholischen Propsteikirche St. Anna.

Die schwere Kirchentür mit dem altertümlichen Türdrücker weist zur Schloßstraße. Viele Menschen eilen hier jeden Tag vorbei, aber die Tür drücken nur wenige auf. Dabei lohnt es sich, denn der Raum, der sich dahinter öffnet, ist voll schlichter Schönheit. Und mehr als das: St. Anna, die Mutterkirche aller katholischen Pfarreien in Mecklenburg, birgt in ihrem Innern Schätze von großem kulturhistorischen Wert.
Als der Naturforscher, Anatom und Priester Niels Stensen, eine der Geistesgrößen seiner Zeit, 1685 nach Schwerin kam, feierte die kleine Gemeinde den katholischen Gottesdienst in der Schlosskirche. Einige Jahre zuvor war nämlich Herzog Christian I. Louis zum Katholizismus konvertiert. Während seines Wirkens in Schwerin bemühte sich Stensen vergeblich darum, der Gemeinde mit einem eigenen Kirchenraum mehr Unabhängigkeit vom Landesherrn zu geben. Die Situation für die Katholiken verschlechterte sich weiter, als der Herzog 1692 starb. Jetzt war es mit dem katholischen Gottesdienst in der Schlosskirche wieder vorbei, die Gläubigen trafen sich in Privatwohnungen. 1709 gründeten Jesuiten in Schwerin eine Missionspfarrei und bauten eine provisorischen Kapelle über einem Stall auf dem Hof der heutigen Kirche. Erst im Jahr 1790, mehr als 100 Jahre nach dem Tod Stensens, gab schließlich Herzog Friedrich Franz I. den Katholiken die Genehmigung zum Bau eines eigenen Gotteshauses.
Bekannte Baumeister und Architekten legten hier Hand an. Darunter waren Hofmaurermeister Johann Cornelius Christopher Barca und Carl Theodor Severin, der spätere Architekt des Ostseebades Heiligendamm. Letzterer entwarf die Innenausstattung, von der heute noch Beichtstühle, Kanzel, Teile des Altars und das Geländer zur Krypta erhalten sind. Als die Kirche 1795 geweiht wurde, begann für die Schweriner Katholiken eine neue Zeit. Ausstattungsstücke, die bereits die provisorische Kapelle geschmückt hatten, verbanden die neue mit der vorangegangenen Epoche. Ein Kleinod und gleichzeitig das älteste Kunstwerk der Kirche ist die spätgotische Figurengruppe der Anna Selbdritt, eine Darstellung der Kirchenpatronin mit ihrer Tochter Maria und dem Jesuskind. Ursprünglich stand sie in der Sternberger Kirche, die beim Stadtbrand 1743 zerstört wurde. Die Figur blieb unversehrt und fand den Weg nach Schwerin.  Auch die sogenannte Mondsichelmadonna von St. Anna, eine Mariendarstellung, bei der die Muttergottes auf einem mit Gesicht versehenen Vollmond steht, stammt aus vorreformatorischer Zeit.
Altes und Neues, Vergangenes und Gegenwärtiges in Harmonie, das kennzeichnet das Gotteshaus in der Schloßstraße. Der Saalbau Hamburger Typs trägt zur Straßenseite einen barocken Putz und zum Hof hin eine Ziegelfassade. 1914 wurden vier große Glasfenster und zwei kleine durch bunte Bilderfenster ersetzt.
Weitere folgten 1985. Eines der Fenster zeigt den ersten Schweriner Bischof Berno, ein weiteres ist  Niels Stensen gewidmet, der 1988 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen wurde. So hat auch der Forscher und Kleriker, dem die Schweriner Gemeinde während seines kurzen Wirkens in der Stadt sehr am Herzen lag, seinen Platz in der Kirche gefunden.
Den Lebensweg von Stensen stellt außerdem ein Relief des Bildhauers Paul Brandenburg nach, das zu den modernen Kunstwerken der Kirche gehört, außerdem stammen Ambo, Tabernakel, Altar und Kreuz aus dem Atelier des Berliner Bildhauers.
Bei einem Umbau im Jahr 1985 änderte St. Anna noch einmal ihr Gesicht. Der Kirchenbau wurde nach Osten erweitert. Dabei erhielt St. Anna auch eine Unterkirche. In dem kleinen, stimmungsvollen Raum steht der verkleinerte Altar von 1795. Außerdem werden hier Reliquien von St. Ansgar und Niels Stensen aufbewahrt. Bischofswappen zeugen von der Zeit der Kirche als „Bischofskirche“ von Mecklenburg.
Einer der größten Schätze befindet sich jedoch nicht hier, sondern in der Bibliothek. Die Historische Bibliothek St. Anna bewahrt mehr als 3000 historische Bände, unter denen sich Bibelausgaben in Latein und Deutsch, Katechismen und kirchengeschichtliche Bände, aber auch zahlreiche Bücher zu Themen wie Sprachkunde, Naturwissenschaften und Kunst befinden. Die Bibliothek hat ihren Ursprung in der von den Jesuiten gegründeten katholischen Schule und dem Vorseminar.