Hausgeschichten PR-Anzeige
ALLES FLIEßT
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und mehr ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Heute in Neumühle, wo im ehemaligen Wasserwerk Kunstströmungen zusammenfließen.
Alles fließt. Verändert sich. Entsteht neu. So wie im alten Wasserwerk in Neumühle, wo das Ende zum neuen Anfang wurde. Noch Ende der 90er Jahre erschien das Werk überflüssig: Die Wasserversorgung erfolgte über das 1999 in Betrieb genommene neue Wasserwerk am Mühlenscharrn und auf dem historischen Industriegelände ging das Licht aus. „Die Frage ,Was machen wir jetzt damit?‘, war nicht einfach zu beantworten“, erinnert sich Hugo Klöbzig, langjähriger Werkleiter der Stadtwirtschaftlichen Dienstleistungen Schwerin.
Heute empfängt Besucher über dem Eingang des Haupthauses ein Schild mit der Aufschrift KWW – Kunst-Wasser-Werk. Auf dem Gelände stehen Kunstobjekte und Skulpturen, in den Gebäuden haben sich Künstler Ateliers und Werkstätten eingerichtet. Sie alle gehören zum Verein „Kunst-Wasser-Werk“, der die alten Gebäude mit Leben und mit Werken füllt. Für Hugo Klöbzig ist das Projekt längst so etwas wie ein Baby. Eins, das zwei Väter hat. Der andere heißt Jørn Mortensen, ist Maler und Nachbar von Klöbzig. „Vor zwei Jahren klagte er darüber, nicht genügend Platz für seine Arbeiten zu haben“, erinnert sich der Initiator, dem sofort das Wasserwerk einfiel. Mit seinem Nachbarn besichtigte er das leer stehende Gebäude und die Entscheidung kam schnell: „Wir sagten uns, dass wir zu zweit bekloppt genug sein müssten, um das auf die Hörner zu nehmen“, so Klöbzig.
Zusammen mit Mortensen suchte und fand er Mitstreiter für das Projekt, das seit diesem Jahr richtig Fahrt aufnimmt. Der Maler war der Erste, der ein Atelier bezog. Weitere Künstler folgten und begannen, die Gebäude in Eigeninitiative wieder herzurichten und dabei den Charme des alten Industriegeländes zu erhalten. 1889 – diese Jahreszahl prangt über der Eingangstür des denkmalgeschützten Haupthauses. Damals, Ende des 19. Jahrhunderts, waren der Bau einer zentralen Wasserversorgung und Kanalisation wichtige Voraussetzungen für die weitere Entwicklung der Stadt. Mit wachsender Einwohnerzahl brauchten immer mehr Schweriner ausreichend Wasser. Auch die Hygiene war eine wichtige Frage, denn mit vielen Menschen auf engem Raum wuchs die Seuchengefahr durch schlechtes Trinkwasser. So entschloss sich der Schweriner Magistrat zum Bau des Wasserwerks in Neumühle, zu dem auch der Wasserturm auf dem Weinberg gehört. Für die Anlage erwarb die Stadt ein Mühlengehöft und begann 1887 mit dem Bau der Funktionsgebäude und des Rohrleitungsnetzes. Als 1890 das Wasserwerk seinen Betrieb aufnahm, war es für den Bedarf von vier Millionen Litern Wasser täglich konzipiert. Zugrunde gelegt wurde damals eine Einwohnerzahl von 40.000, der Wasserbedarf pro Einwohner war mit 100 Liter veranschlagt.
Imposant ist das Ziegelgebäude des Maschinenhauses mit dem aufwändig verzierten Giebel. Hugo Klöbzig wundert sich nicht, dass dem Wasser nicht einfach nur ein Funktionalgebäude errichtet wurde. „Wasser ist unser wichtigstes Nahrungsmittel. Diese Bedeutung spiegelt sich auch in dem repräsentativen Bau wider“, ist er überzeugt. Die Farbe des Backsteins zieht sich inzwischen wie ein roter Faden auch durch das Innere des Hauses. Rot gestrichene Türen sind die Eingangstore in die verschiedenen Ateliers. Daneben gibt es Galerieräume, in denen Künstler abwechselnd ausstellen. „Allerdings unterscheiden wir uns von anderen Kunstvereinen dadurch, dass die Künstler hier auch arbeiten“, sagt Klöbzig. 15 Künstler gehören inzwischen zum Verein. Unter ihnen sind Nando und Annett Kallweit, die in dem Kunst-Wasser-Werk ein enormes Potenzial sehen. Holzbildhauer Nando Kallweit hat hier in diesem Jahr bereits sehr erfolgreich eine Ausstellung gezeigt.
Ins Leben gerufen wurde das Projekt dank der Unterstützung vieler – allen voran die Stadtwerke, denen das Gebäude gehört. Künftig soll das Kunst-Wasser-Werk zu einem festen Faktor in der Kunstszene Schwerins werden und gleichzeitig ein Stück städtische Industriegeschichte beleuchten. Und apropos beleuchten: Unter dem Motto „Lichtparcours“ laden in der Kunst- und Museumsnacht am 30. Oktober Künstler nach Neumühle ein. Zwischen 18 und 23 Uhr gehen dann im alten Wasserwerk wieder viele Lichter an.