Hausgeschichten PR-Anzeige
„Aller Komfort der Neuzeit“
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das Kurhaus in Zippendorf.
Gehölz und Gestrüpp sind dabei, sich ihren Platz an der Sonne oben auf dem Bornberg zu erobern. Noch hält das Gebäude, inzwischen fast eine Ruine, aber stand. Wer sich heute das ehemalige Hotel anschaut, ahnt trotz Verfall noch dessen frühere Pracht.
Am 1. Juli 1910 wurde das Kurhaus eröffnet. Und es hatte so einiges zu bieten – man warb mit Folgendem: „65 Zimmer und Salons mit Balkons und Loggien. Aller Komfort der Neuzeit: Bäder, elektrisches Licht, Ruder-, Segel-, Angel- und Lawn-Tennis-Sport.“ Hinzu kamen unter anderem „ein kühler Speisesaal“, Damenzimmer, Veranden, ein großer Garten mit Terrassen zum See sowie gleich nebenan „ein schöner Strand und herrliche Waldungen“. Trotzdem klappte es von Anfang an nicht mit der Auslastung – mit einer Ausnahme im Folgejahr: 1911 fanden in Schwerin mehrere Großveranstaltungen statt, unter anderem die 750-Jahr-Feier (damals ging man noch von 1161 als Stadtgründungsjahr aus).
Sehr unerfreulich war es dagegen, dass an einem Sommerabend des selben Jahres gleich drei Kurhotel-Kellner beim Baden im See ertranken.
Während des 1. Weltkriegs kamen kaum Gäste, und ab 1919 wechselte das Kurhaus mehrfach Pächter oder Verwalter. Im Jahr 1920 wurde Zippendorf eingemeindet, es bekam einen schönen Strand samt Promenade, und die Straßenbahn fuhr seit Mai 1921 bis vors Kurhaus. Von diesen neuen Gegebenheiten profitierte vorübergehend auch das Hotel.
Wenige Jahre später kam es immer wieder zu Bränden im Kurhaus, manch einer vermutete Versicherungsbetrug, denn die Geschäfte liefen mittlerweile wieder miserabel. 1931 ging das Hotel schließlich pleite und wurde zwangsversteigert.
Ab 1933 nutzten die Nazis das Haus als Tagungshotel sowie für alle möglichen Versammlungen. 1938 wurden kurzzeitig sudetendeutsche Flüchtlinge dort einquartiert, ab 1939 gehörte es zu einer Fliegerschule und verfügte sogar über ein Flak-Geschütz. 1944 wurde das einstige Hotel zum Hilfslazarett der Luftwaffe.
Nach dem Krieg betreute man in dem Gebäude zunächst ehemalige KZ-Häftlinge und Flüchtlinge, 1949 richtete die Landesregierung hier ein Ferienheim ein. Der letzte Besitzer der Immobilie, Max Otto Kirst, wurde 1950 enteignet. Zwei Jahre später wurde das Haus auf dem Bornberg zum Kinderheim, in dem 120 Mädchen und Jungen, teils zusammen mit ihren Müttern, lebten. Drei Jahre später übernahm der Sportclub Traktor Schwerin das 45 Jahre alte Gebäude, das fortan als Internat mit Sporthotel fungierte. Damit zog endlich Kontinuität ein, denn fast 30 Jahre änderte sich daran nichts.
Nachdem 1984 das Lederwarenkombinat die Stätte übernommen hatte, blieb sie zumindest teilweise ein Internat, hinzu kam eine Weiterbildungseinrichtung.
Nach der Wende verabschiedete sich dann auch das Lederwarenkombinat, und das Haus ging an die Treuhand über, die trotz mehrerer Interessenten lange Zeit einfach keinen Käufer fand. In den neunziger Jahren ließ die Treuhand noch Dach, Heizung und Elektrik in Ordnung bringen. Aber das Gebäude verfiel immer mehr. Es stellten sich zwar über die Jahre immer wieder potentielle Investoren mit Ideen vor. Aus deren Plänen – von High-Tech-Universität bis Kongresszentrum – wurde jedoch nichts.
Im Jahr 2008 ging es mittels Zwangsversteigerung an einen neuen Besitzer über, eine Firma des Schweriner Bau-Unternehmers Dr. Horst Brandt. Der verkaufte das Haus 2012 an einen Bremer Projektentwickler weiter – und bekam es kurz darauf zurück.
Im April veräußerte Brandt das einstige Schmuckstück nun an das Münchener „Architekturbüro von Seidlein Röhrl“. Die Investoren wollen aus dem alten Kurhotel nun ein Wohnhaus mit sehr hochwertigen Quartieren machen. Brandt sagt: „Es soll ein kaiserliches Kleinod werden, wie es früher einmal war.“ S. Krieg