19.05.2017

Hausgeschichten PR-Anzeige

Ältestes Haus der Schelfstadt

Im Gebäude Puschkinstraße 20 wurde einst Bier gebraut, heute befinden sich dort Wohnungen
So sieht das Haus Puschkinstraße 20 heute aus. Foto: S. Krieg
like-imagelike-image
share email
dislike-imagedislike-image

Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: das Haus Puschkin­straße 20.

Das Haus ist das einzige in der Straße, dessen Giebel zur Straßenseite zeigt. Kein Wunder, erließ doch der Großherzog erst, als das Gebäude bereits stand, die Anordnung, vor allem aus Gründen des Brandschutzes mit der Traufseite zur Straße zu bauen. Heute gehört das Haus dem Bauforscher Dr. Tilo Schöfbeck (siehe Seite 18). Er hat ermittelt, dass es höchstwahrscheinlich 1698 errichtet wurde. Damit ist es das älteste Haus der Schelfstadt und eines der ältesten Schwerins.
Wer der erste Besitzer war, weiß keiner. Und auch nicht, welchem Zweck es diente. Fest steht, dass es im Verlaufe des 18. Jahrhunderts zu einem Brauhaus wurde; manch einem alten Schweriner ist das Fachwerkhaus auch noch als „alte Havemannsche Brauerei“ bekannt. Hier wurde einst Bier in Krügen verkauft, das von den Männern manchmal mit nach Hause genommen wurde, meist jedoch direkt im angeschlossenen Gastraum in geselliger Runde genossen wurde (die Schankstube wurde aber erst in den 1880er Jahren eröffnet).

Der Hinterhof war recht groß, er zog sich bis zur Münzstraße durch und wurde von mehreren Wirtschaftsgebäuden gesäumt. Heute ist davon nicht mehr viel zu sehen, aber vom Garten kann man immer noch bis zur Münzstraße gucken. Im Jahr 1788 wurde das Haus um den Teil über der Durchfahrt erweitert. Beides existiert nach wie vor.
Anfang des 20. Jahrhunderts lohnte sich das Bierbrauen dort nicht mehr; die Firma Schall & Schwencke hatte ihre moderne Brauerei am Ziegelsee eröffnet und füllte dort den Gerstensaft in Flaschen ab. Die Konkurrenz für die kleinen Brauereibetriebe war zu groß. In der Puschkinstraße 20 wurde nun aber Hochprozentiges hergestellt. Besitzer nach dem Ersten Weltkrieg war Otto von Blanckenhagen, der dort ab den 1920er Jahren seinen Allasch brannte, einen sehr süßen Kümmellikör nach lettischer Art. Zur gleichen Zeit eröffnete parallel eine Dampfbäckerei. Im oberen Teil befanden sich Wohnungen.

Die Bäckerei bestand bis Anfang der 1990er Jahre, gewohnt hat in dem Haus aber schon seit Ende 1980er Jahre niemand mehr. Mit dem Leer­stand begann auch der Verfall des Gebäudes. Eigentlich sollte es längst abgerissen werden – wie die Hofgebäude, die bereits vor einigen Jahren rückgebaut wurden. Zuvor hatte die Stadt die Bauten inklusive Puschkinstraße 20 von einem Erben abgekauft. Das Haus sah aus, als sei es nicht mehr zu retten. Schöfbeck aber erkannte das Potenzial und kaufte es am 17. Juli 2013. An das Datum erinnere er sich noch ganz genau. Schließlich habe er zuvor vier Jahre lang mit der Stadt verhandelt, bis er die Immobilie erwerben durfte.

Knapp 50.000 Euro habe ihn das Grundstück gekostet, aber satte 800.000 Euro die Sanierung. Finanziert habe er alles über Fördermittel und Kredit. Für die Fördermittel ist der selbstständige Bauforscher sehr dankbar. „Dank Städtebauförderung konnte das Haus gerettet werden“, freut er sich.
Im November 2013 begann die Schelfbauhütte mit den Arbeiten, die Schöfbeck nahezu täglich aufmerksam verfolgte. Im September 2014 war alles fertig. Heute befinden sich in dem Haus fünf Wohnungen mit insgesamt etwa 400 Quadratmetern. Er sagt: „Das Konzept für die Bank sah von vornherein vor, dass hochwertig vermietet werden kann.“

Seine Geschichte sieht man dem Haus vielfach auch innen noch an: hier ein alter Balken, da eine Tür mit schiefer Zarge. So entwickelt das Gebäude seinen besonderen Charme. „Mir hat das Haus immer gefallen“, betont Schöfbeck. Dies aber selbst zu erwerben, habe ihn erst der Chef der Schelfbauhütte, Ulrich Bunnemann, ermutigt. Schöfbeck hat es nicht bereut. S. Krieg