15.07.2016

Hausgeschichten PR-Anzeige

20.800 Mauersteine, 800 Ziegel

Das Haus der früheren Dorfschule in Warnitz wird nun von der Zukunftswerkstatt genutzt
Die Vorderseite des Hauses in der Bahnhofstraße 2 Foto: S. Krieg
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Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: die alte Dorfschule in Warnitz.

Als es 1979 für die Warnitzer Schüler in die Sommerferien ging, war Schluss mit Schule in der Bahnhofstraße 2 – für immer. Gelernt wird dort jetzt aber wieder, gewissermaßen. Denn in dem Gebäude der alten Dorfschule, befindet sich der Verein Zukunftswerkstatt, dessen Hauptaufgabe es ist, Langzeitarbeitslose wieder zu einem normalen Lebensrhythmus zu verhelfen, ihnen Selbstachtung und Würde zurückzugeben.

Mit dem Bau des Hauses wurde im Jahr 1801 begonnen, nachdem das alte Warnitzer Schulhaus endgültig zu marode war. Für den Neubau veranschlagten die Planer unter anderem 14.000 gebrauchte und 6.000 neue Mauersteine sowie 800 Ziegel. Das reichte nicht, wie sich später her­ausstellte, und es wurden noch einmal 800 Mauersteine nachgeordert. Nach drei Jahren stand das Haus, und erster Schulleiter war ab 1804 der Lehrer Boeck.
Die Schüler kamen aus Warnitz, Herren Steinfeld und Pingelshagen. Es waren aber auf die Dauer zu viele in dem kleinen Haus. Für 70 bis 80 Schüler genüge der Platz nicht, sondern allenfalls für 42; zu diesem Schluss kam 1834 eine Kommission der unter anderem Lehrer Boeck junior (Sohn des ersten Schulleiters) angehörte. Man beschloss also anzubauen. Bis die Handwerker anrückten, dauerte es allerdings 25 Jahre, Lehrer Boeck war da bereits verstorben.

Viel Geld verdienten die Lehrer seinerzeit nicht, und so besserten sie ihr Gehalt durch Viehhaltung auf (Kühe, Schweine, Hühner). Die Ställe befanden sich im selben Haus wie die Klassenräume – und die Lehrerwohnung. Im Jahr 1903 jedoch wurde ein extra Stallgebäude errichtet und im Haupthaus die Lehrerwohnung vergrößert. 1923 erhielt die Schule einen Sportplatz, neun Jahre später wurde erneut angebaut, und 1934 bekam der Lehrer Alexander Völter eine Garage für sein gerade angeschafftes Auto. Kurz nach dem Krieg wurde das Schulgebäude um eine Küche für die Schulspeisung ergänzt und auf dem Gelände ein Schulgarten angelegt.

Durch die Nutzung der früheren Scheune als zweites Schulgebäude konnten ab 1966 deutlich mehr Unterrichtsfächer angeboten werden und die Lehr-Einrichtung durfte sich bis zum Ende nun Polytechnische Oberschule nennen.
Im Dezember 1979 zog die „Station junger Techniker und Naturforscher“ in das Gebäude. Nach der Wende bemühte sich die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) um die Immobilie. Dank der Initiative des SDW wurden auf dem 4,5 Hektar großen Gelände an der alten Schule insgesamt fast 5.500 Bäume gepflanzt, wodurch der größte Schulwald unseres Landes entstand. Zum Bestand zählen nun 65 unterschiedliche Gehölze – von Atlas-Zeder bis Zapfenfichte. (Die Bäume plus 1.200 Meter Zaun wurden von Fielmann gespendet.) Ein passender schulbotanischer Garten existierte übrigens schon, er wurde in den 80er Jahren angelegt.

Von 1992 bis 1993 nutzte die Stadt das Haus als Asylbewerberheim. Später fanden dort einzelne Jugendfreizeiten statt, der botanische Garten wurde weitergestaltet, und Klassenausflüge und Projekttage führten Schüler dorthin. Anfang 2001 übernahm die Opens external link in new windowZukunftswerkstatt die alte Dorfschule samt dem 5,5 Hektar großen Außengelände. Die Vereinsmitglieder sanierten, bauten um, schufen neue Clubräume, richteten die alte Garage zu einem Bungalow und Sanitärgebäude her, überdachten eine Freizeit- und Partyfläche.
Inzwischen ist die alte Dorfschule mit dem Freigelände zu einer Begegnungsstätte für Jugendliche und Erwachsene geworden. Genau das ist der zweite Aspekt neben der Beschäftigungsförderung: Man kann hier feiern, Volleyball und Fußball spielen, sogar zelten. Einfach bei der Zukunftswerkstatt nach Leih- und Mietangeboten fragen. S. Krieg