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Vorsicht Kamera !
Im Gespräch mit Rechtsanwalt Thomas Piehl aus der Rostocker Kanzlei Ahrendt & Partner.
Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich in einer Aufsehen erregenden entscheidung die bisherige rechtswidrige praxis der Videomessungen im Straßenverkehr gekippt. Worum geht es bei der entscheidung genau?
Das Bundesverfassungsgericht hat einem Autofahrer Recht gegeben, der sich gegen einen Bußgeldbescheid des Landkreises Güstrow zur Wehr gesetzt hatte. Der betroffene Fahrer war auf der A19 im Bereich Rostock bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von einer Autobahnbrücke aus gefilmt worden. Das Amtsgericht Güstrow und das Oberlandesgericht Rostock wiesen die Argumentation des Fahrers zurück, die Videomessung sei wegen fehlender gesetzlicher Grundlage rechtswidrig gewesen. Der Fahrer sah sich hierdurch in seinen Grundrechten verletzt und erhob Verfassungsbeschwerde.
Die Verfassungsrichter gaben dem Mann jetzt Recht, hoben das Urteil auf und verwiesen den Rechtsstreit zurück an das Amtsgericht. Was genau haben die Verfassungsrichter hier bemängelt?
Nach Ansicht der Karlsruher Richter stellt die Videofahndung, also die umfassende Aufzeichnung des gesamten Verkehrsgeschehens, einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Autofahrer dar. Ein solcher Eingriff bedarf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage. Ein entsprechendes Gesetz gab es hier offensichtlich nicht. Die polizeiliche Videoüberwachung des Straßenverkehrs ist ohne gesetzliche Grundlage verfassungswidrig.
Wie reagieren die Behörden und Gerichte auf die Entscheidung?
Das Amtsgericht Güstrow hat das Verfahren inzwischen eingestellt. Die rechtswidrigen Aufnahmen konnten nicht mehr als Beweis im Bußgeldverfahren verwendet werden. Bundesweit stellen die Gerichte ähnliche Verfahren reihenweise ein. Auch Karsten Neumann, Datenschutzbeauftragter für MV, hält den bisherigen Zustand aus Datenschutzgründen für unzumutbar und nicht länger hinnehmbar.
Bleiben „Videowagen“ und „Blitzer“ trotzdem zulässig?
Ja. Videowagen der Polizei und sogenannte „Blitzer“ bleiben von der Entscheidung der Verfassungsrichter unberührt. Der vermeintliche Verkehrssünder wird erst bei ausreichendem Verdacht auf einen Verstoß zu Beweiszwecken gefilmt und verfolgt. Ebenso wird bei einem „Blitzer“ der Verdacht auf einen Geschwindigkeits- oder Rotlichtverstoß zunächst von der Anlage registriert und erst dann – Sekundenbruchteile später – ein Foto zu Beweiszwecken angefertigt. Eine gesetzliche Grundlage liegt in diesen Fällen mit der Strafprozessordnung und dem Ordnungswidrigkeitengesetz vor.
Was ist mit Videoaufnahmen der Polizei zur Überführung sogenannter „Gurtmuffel“ und „Handysünder“? Solche Aufnahmen sind aus Sicht der Verfassungsrichter unzulässig. Eine nachträgliche Auswertung des zuvor umfassend und verdachtsunabhängig gefilmten Verkehrsgeschehens ist in nächster Zeit nicht mehr möglich.
Können betroffene Autofahrer jetzt hoffen? Wer trägt die Kosten bei Einstellung des Bußgeldverfahrens?
Derzeit bestehen gute Chancen dafür, sich erfolgreich gegen solche Bußgeldbescheide zur Wehr zu setzen. Dies lässt schon die Vielzahl der Verfahrenseinstellungen erkennen. Im Zweifel wird die Polizei jedoch verstärkt auf „altbewährte“ Methoden zurückgreifen. Die Entscheidung sollte nicht als Anreiz für verkehrsordnungswidriges Verhalten missverstanden werden. Die Verfahrenskosten fallen bei Einstellung der Staatskasse zur Last. Anders kann dies bei den Auslagen (z.B. Anwaltskosten) sein. Diese haben Betroffene unter Umständen selbst zu tragen. Das zuständige Verkehrsministerium prüft zwar weiterhin rechtliche Möglichkeiten zur Verkehrsüberwachung per Kamera. Von der bisherigen Videofahndung wird allerdings Abstand genommen. Auch Annamaria Düvel, Direktorin des Amtsgerichts Güstrow, bringt es gegenüber der Schweriner Volkszeitung treffend auf den Punkt: „Das Bundesverfassungsgericht hat uns belehrt.“
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