12.07.2023

Leute

Grafiker und Zimmermann

Lutz Tesmar lädt in der Remise des Schleswig-Holstein-Hauses zum Exkurs in die Druckkunst.
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Lutz Tesmar – ein Künstlerleben zwischen Wandmalerei und Druckkunst

Gern zeigt Lutz Tesmar interessierten Menschen, wie seine händischen Druckpressen funktionieren. An Museumstagen und bei Veranstaltungen des Schleswig- Holstein Hauses ist der 70-jährige Tesmar ein gefragter Kenner der Druckkunst. Seit sieben Jahren sind seine Werkzeuge zur Herstellung von Grafiken durch unterschiedliche Techniken in der Remise untergebracht. Unter ihnen auch Schätze wie eine 150 Jahre alte Handpresse. Lutz Tesmar, in Berlin Mitte geboren, wuchs als Sohn eines Zimmermanns auf. Seit frühester Kindheit ist er vertraut im Umgang mit Holz, Steinen, Beton, Putz und allen Materialien, die man zum Werken und Bauen braucht. Vom Vater, Meister seines Faches, schaute er sich ab, wie man mit Werkzeugen, Maschinen, Farben und allerlei Tinkturen Werkstoffe bearbeitet. Nach Abitur und Ausbildung zum Zimmermann begann er mit dem Studium der Germanistik und Kunst an der Humboldt-Universität. Danach studierte er an der Kunsthochschule Weißensee und machte 1980, betreut durch seinen Lehrer Hans Vent, sein Diplom als Maler und Grafiker. 
Das Sgraffito, eine Technik zur Gestaltung von Wänden durch Kratzen und Schneiden in verschiedenfarbigen Putzschichten, hatte es ihm besonders angetan. Hier konnte der junge Tesmar hervorragend die Leidenschaft für handwerklich geprägte Arbeit mit seinem künstlerischen Schaffen verbinden. Förderverträge und Aufträge an öffentlichen Gebäuden wie Kitas und sozialen Einrichtungen sicherten die Existenz. 
1984 lernte er die Malerin und Grafikerin Ruth Tesmar kennen. Rasch ergab sich eine künstlerische Zusammenarbeit, und die beiden wurden ein Paar. Die Buchillustration, die seine Frau für sich entdeckt hatte, interessierte auch den Maler und Grafiker Lutz Tesmar. Seine Leidenschaft für Druckgrafik passte ideal zur gestalterischenArbeit seiner Frau. Zum Ende der DDR hatten sich die beiden durch Buchgestaltungen einen Namen gemacht. Lehraufträge sorgten für einen ständigen Dialog mit Studenten. Lutz Tesmar unterrichtete nach der Wende drei Jahre als Gastprofessor an der Universität Gießen. 
Ruth Tesmar leitete ab 1993 als Professorin an der Humboldt Universität das „Menzel-Dach“. Es war der zentrale Ort für die praxisbezogene Ausbildung im Fach Kunstund Bildgeschichte. Was es bedeutete, diese einmalige Institution zu entwickeln und auszubauen, daran erinnert sich Lutz Tesmar, als wäre es gestern gewesen. „Die Räume der ehemaligen Kriminaltechnik mussten komplett umgebaut, renoviert und modernisiert werden“, schildert er lebhaft die Arbeit an dieser außergewöhnlichen Bildungsstätte. Das „Menzel-Dach“ bot Tesmar reichlich Gelegenheit, seine Lehrtätigkeit aus der Gießener Zeit fortzusetzen. Zahlreiche Studenten machte Tesmar in den folgenden Jahren mit den Grundlagen grafischer Arbeit bekannt. 
Den Künstler und Gestalter Tesmar drängt es nicht in die Verkaufshallen der Kunst. Er produziert seine grafischen Arbeiten galerieunabhängig. Öffentlich zu sehen sind seine Werke in Kunstausstellungen, an denen er sich immer wieder mal beteiligt. Lebhaft in Erinnerung ist Lutz Tesmar die Zusammenarbeit mit dem französischen Lehrbeauftragten Thierry Godet, als es um das kunstethnografische Thema „Vom Nomaden zum Siedler“ ging. Die 1995 daraus entstandene Installationsschau „Im Garten der Sinne“ bleibt für Tesmar ein künstlerisches Highlight. Über Jahre wurden „Auffindungen“ bauender und sozialer Verhaltens- und Bewegungsformen in naturräumlicher Umgebung gesammelt und dokumentiert. Die Wirkung der Witterung auf die Materialien beschäftigt den experimentierfreudigen Künstler bis heute. 
Für den Norden hatte das Künstlerehepaar schon immer eine Schwäche. Seit 2011 ist es in der Landeshauptstadt ansässig. Fünf Jahre später, Ruth Tesmar wurde emeritiert und das „Menzel-Dach” geschlossen, zogen Tesmars ganz nach Schwerin. Mit ihnen zogen aber auch die Tief-, Hoch- und Flachdruckpressen, Werk- und Schneidebänke und eine Menge Werkzeug und Material nach Mecklenburg. 
Die damalige Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow, die das „Menzel- Dach“ kannte, zeigte sich interessiert, dem Schatz der Druckkunst eine neue Heimat zu geben. Die Nutzung der Remise am Kulturforum als Werkstatt wurde mit den Tesmars vertraglich vereinbart. Aus dem Wirtschaftsgebäude ist eine Werkstatt geworden. „Alles was hier gedruckt wird, entsteht rein händisch, für meine Kunst brauche ich keinen elektrischen Antrieb“, meint Lutz Tesmar augenzwinkernd. „Ich bin immer wieder überrascht, wie bei Jugendlichen das Interesse für die verschiedenen Drucktechniken geweckt werden kann“, freut sich der Künstler Tesmar. 
Für Besuchergruppen, die etwas über die Jahrhunderte alte Druckkunst lernen wollen, öffnet Lutz Tesmar gern seine Werkstatttür.

Peter Scherrer