Leute
Der Gehweg ist ein geschützter Raum
Was war für Sie das Schlüsselerlebnis, sich im Fuss e.V. zu engagieren?
Von meinem Fenster schaue ich auf die Uferpromenade am Pfaffenteich. Hier sind es in den zurückliegenden Jahren nicht nur mehr Radfahrer geworden, auch das Verkehrsverhalten vieler hat sich verändert, hin zu einem aggressiven Egoismus. Das führt dazu, dass kleine Kinder auf der Uferpromenade gar nicht mehr frei herumlaufen können. Ich wollte diesen Fakt für einen Blogbeitrag aufgreifen und habe überlegt: Für Autofahrer gibt es den ADAC, für Radler den ADFC, aber für Fußgänger? Dann habe ich recherchiert und gesehen: Hoppla, da gibt‘s ja auch etwas! Der FUSS e.V. ist ein kleiner Verband mit bundesweit 1500 Mitgliedern, so viele, wie der ADFC allein in MV hat. Aber diese wenigen leisten eine kompetente Sacharbeit. Das hat mir imponiert und so bin ich dazugestoßen.
An welcher Stelle in Schwerin leben Fußgänger besonders gefährlich?
Gefährlich ist das falsche Wort – es legt den Fokus zu sehr darauf, ob es zu Unfällen kommt. Wenn wir auf problematische Punkte aufmerksam machen, hören wir auch aus der Stadtverwaltung immer wieder: Nach Rücksprache mit der Polizei hat es dort noch keine Unfälle gegeben. Das ist die falsche Herangehensweise. Der Fußgängerweg ist ein geschützter Ort, auf dem Fußgänger keine Regeln beachten müssen. Sie können links oder rechts gehen, stehenbleiben, auch in Grüppchen. Mit dem Einbruch von Fahrzeugen in diesen geschützten Bereich beginnen die Probleme. Fußgänger sind immer dort besonders gefährdet, wo sie sich mit Radfahrern den Weg ohne Zuordnung teilen, das zeigt zum Beispiel das Verkehrsschild „Gemeinsamer Geh- und Radweg“ mit einem waagerechten Strich zwischen den Piktogrammen von Fahrrad und Fußgänger an. Genau diesen Mischverkehr haben wir an vielen Stellen in Schwerin.
Die Stadtgruppe Schwerin des FUSS e.V. stand gerade mit einem Informationsstand in der Mecklenburgstraße, welche Meinung haben die Menschen zu diesem Thema?
Wir haben Meinungen gehört wie: Ich finde das absolut richtig. Wir haben während der drei Stunden aber auch 70 bis 90 Radler gezählt. Einige, vor allem Touristen, waren sich der Tatsache nicht bewusst, dass sie zwischen 10 und 18 Uhr nicht durch die Zone fahren dürfen. Andere wussten es sehr wohl und haben es bewusst ignoriert, Wir wollten erreichen, dass mehr Leute wissen, wie die Regeln sind und dass Fußgänger Rechte haben.
Welche Möglichkeiten gibt es aus Ihrer Sicht, die Situation zu verbessern und wie sieht für Sie eine lebenswerte Stadt aus?
Die Bedürfnisse von Menschen zu Fuß und auf den Gehwegen müssen eine größere Aufmerksamkeit erfahren, die Freigabe für den gemischten Verkehr sollte an einigen Stellen zurückgenommen werden. Eine lebenswerte Stadt ist für mich eine, die sich nicht am Auto ausrichtet. In Schwerin erreicht man alles Wichtige in 15 Minuten. Dieses Potenzial sollten wir nutzen, um den Fuß- und Radverkehr zu priorisieren und den Radfahrern dabei die Straße zu lassen. Eine Voraussetzung dafür ist, dass die Straßen nicht mit Autos zugestellt sind. Das weiß ich, denn ich bin selbst passionierter Radfahrer.
Interview: Katja Haescher