15.08.2025

Leute

Bewegung in der Innenstadt

Ajla Zoranić verknüpft Therapie und Training: Gerade hat sie bei „Erfolgsraum Altstadt“ gewonnen
Coolster Job: Ajla Zoranić hat sich mit einer eigenen Physiotherapie-Praxis selbstständig gemacht.
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Mit dem Wettbewerb „Erfolgsraum Altstadt“ möchte die IHK Bewegung in Innenstädte bringen. Siegerin Ajla Zoranić macht genau das – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Die 31-Jährige hat sich in der Schweriner Mecklenburgstraße mit einer eigenen Physiotherapie-Praxis selbstständig gemacht. Und korrekterweise müsste man Physiotherapie-Studio sagen, denn die Gründerin verknüpft in ihrem Ansatz Therapie und Training.

Eigentlich, sagt Ajla Zoranić, wollte sie sich nie selbstständig machen. In Rostock hatte sie den Beruf der Physiotherapeutin gelernt, später für vier Jahre in einer großen Praxis in Augsburg auch Kenntnisse im Management erworben. Damit brachte sie hervorragende Voraussetzungen mit. Dennoch erschien ihr das System der Physiotherapie oft holprig, schwerfällig, problembelastet. Doch dann war da auch der Gedanke, dieses System möglicherweise von innen heraus verändern zu können: Am 1. Oktober 2024 eröffnete Ajla Zoranić so ihr Unternehmen fis:jo. „Ich muss mich engagieren und Dinge ausprobieren“, sagt sie über sich selbst. „Geld war nie meine Motivation, lieber möchte ich etwas bewirken.“

Ajla stammt aus Bosnien-Herzegowina, als Kind kam sie 2001 mit ihren Eltern nach Greifswald. Nach der Schule lernte sie zuerst den Beruf einer Industrie-Kauffrau, zog aber schnell die Reißleine: „Ich habe zwar eine Affinität zu Zahlen, aber keine zu täglich acht Stunden sitzender Tätigkeit“, sagt sie. Als Physiotherapeutin dagegen hat sie, wie sie selbst sagt, den „coolsten Job“: „Ich kann Menschen zu mehr Wohlbefinden verhelfen oder sie zur kompletten Genesung begleiten.“

Ihre Bewerbung im IHK-Wettbewerb wurde angestoßen, nachdem Ajla Zoranic im Format 12min.me von Gründer MV ihr Unternehmen vorgestellt hatte. „Eigentlich hasse ich es, vor vielen Leuten zu reden“, sagt sie, aber sie tut es, wenn es um ihre Überzeugung geht. Bei dieser Gelegenheit lernte sie Kristin Just von der IHK kennen – und den Wettbewerb. „Ich hatte überhaupt nicht den Anspruch zu gewinnen“, sagt die junge Gründerin. Um so mehr freut sie sich über den ersten Preis in der Kategorie „Neugründung“. „Am 10. September geht es jetzt im Landeswettbewerb weiter und ich bin stolz, dass wir nun ein Teil davon sind.“

Was die Jury besonders überzeugte: fis:jo vereint Physiotherapie, Training und Gesundheitsförderung – unterstützt durch den Einsatz künstlicher Intelligenz. „Wir setzen sehr auf physiotherapeutische Diagnostik und dabei auf bio-psycho-soziale Faktoren“, sagt Alja Zoranić. Das soziale Umfeld, der Stresslevel, möglicherweise Angst vor bestimmten Bewegungen, all das, sagt die 31-Jährige, muss sie wissen. Aus diesem Grund hat sie sich viele Gedanken über den Fragebogen gemacht, den neue Patienten in der Praxis beantworten. Das knöcherne System und das muskulär-fasziale, das Herz-Kreislauf- und das Nervensystem finden darin Beachtung. Statt den von den Krankenkassen bezahlten 20 Minuten für diese Anamnese nimmt sich Ajla Zoranic 40 Minuten Zeit – sie weiß, dass sich diese Genauigkeit später auszahlt. Die Technik und KI-basierte Software helfen dabei, die Daten schnell zu verarbeiten, Probleme genauso wie Fortschritte sichtbar zu machen. 

Fortschritte sind ein wichtiges Stichwort. Die Physiotherapeutin möchte ihre Patienten motivieren, die neu gewonnene Aktivität beizubehalten. Bekommt jemand kein Rezept mehr, bietet sie die Möglichkeit an, im freien Training unter therapeutischer Begleitung weiterzumachen. Wer mag, kann die Smartwatch gleich mit der Software im Studio koppeln und so alle Fortschritte verfolgen. Auch Präventionskurse sollen künftig angeboten werden.

„Sport ist eine Therapie, bei der viele positive körpereigene Hormone ausgeschüttet werden“, sagt Ajla Zoranic. Sie findet es traurig, dass Medizin oft mit Medikamenten in eins gesetzt wird. Stattdessen möchte sie Gesundheitskompetenz fördern und Menschen ermutigen, selbst etwas für ein längeres, gesünderes Leben zu tun.

Und apropos Sport: Mit einem eigenen frisch gegründeten Unternehmen musste die junge Chefin ihre eigene Leidenschaft für Fußball erstmal auf Eis legen. Die Fußball-EM hat sie trotzdem mit Leidenschaft verfolgt. Aktiv ist sie auch, wenn es darum geht, Netzwerke zu knüpfen und zu pflegen. Sie engagiert sich im Physiotherapeutenverband und beim Frauen-Festival im DeveLUP in Ludwigslust, bei dem es um Frauen im Management geht. „Ich finde sehr schön, dass die Welt hier ein bisschen weiblicher geworden ist“, sagt Ajla Zoranić. 

Für den Ort ihrer Unternehmensgründung hat sie sich bewusst entschieden. „Schwerin ist wunderschön, eine Sportlerstadt, aber auch wirklich eine Lebenshauptstadt. Hier stimmt für mich, was in der Werbung steht“, sagt sie und will jetzt hier dazu beitragen, die Welt ein bisschen bunter zu machen.

Katja Haescher