22.04.2022

Leute

Das Lesen als Schlüssel zur Welt

Interview mit Alexander Kieslich in der Reihe "Köpfe aus Schwerin"
Alexander Kieslich (26) ist in Schwerin Vorsitzender des Vereins MENTOR - Die Leselernhelfer.
like-imagelike-image
share email
dislike-imagedislike-image

Warum ist es so wichtig, bei Kindern die Leselust zu wecken?
Lesen ist eine Schlüsselqualifikation, die soziale Teilhabe und lebenslanges Lernen ermöglicht. Lesen vergrößert das Wissen, fördert Kreativität und Empathie, weil sich Leser ja in verschiedene Charaktere hineinversetzen.

Was erschwert Kindern das Lesenlernen?
Aktuell erschwert das mangelnde Training den Kindern das Lesenlernen. Kinder haben Probleme, die Buchstaben zu erkennen und die Laute zu bilden. Bereits jetzt gibt es Studien, wonach am Ende der 4. Klasse jedes fünfte Kind nicht sinnverstehend lesen kann, durch Corona ist diese Tendenz vermutlich steigend. Man spricht dann von funktionalem Analphabetismus. Das wird mit höheren Schuljahren mehr und mehr zum Problem, weil ja Informationen aus Texten entnommen werden müssen. Dann kann das Kind vielleicht gut rechnen, versteht aber die Sachaufgabe nicht. Ein Problem beim Lesenlernen ist auch, wenn Eltern nicht oder zu wenig vorlesen.

Wie können Eltern ihre Kinder hier am besten unterstützen?
Egal, wie wenig Zeit sie haben – die zum Vorlesen sollten sie sich nehmen. Wenn es zu Hause an entsprechenden Büchern fehlt: Die Kinderabteilung der Schweriner Stadtbibliothek ist phantastisch! Schön ist es, wenn Eltern ihre Kinder auf spielerische Art für das Lesen begeistern, also nicht den Ersatzlehrer spielen und sagen: Du musst jetzt üben!

Wie hilft der Verein MENTOR, in welcher Form werden Kinder hier gefördert?
Ganz wichtig ist die 1:1-Betreuung: Ein Mentor kümmert sich um ein Kind. Dieses steht dann eine Stunde lang im Mittelpunkt, ist nicht eins von dreißig in der Klasse oder eins von drei Geschwistern. Es soll ein Genussmoment sein, bei dem wir uns spielerisch dem Lesen widmen, Wortschatzkisten füllen, verschiedene Medien nutzen. Aktuell haben wir 55 Mentoren, die sich um Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 16 Jahren an zwölf Schulen in Schwerin und im Umland kümmern. Der Bedarf ist viel größer und deshalb suchen wir auch weiterhin Mentoren, die vom Verein auch geschult und betreut werden.

Apropos Medien: Wie lässt sich Gedrucktes und Digitales sinnvoll verknüpfen?
Wichtig ist es, die Medienwelten der Kinder zu kennen und sie dort abzuholen, wo sie sind. Natürlich sind Computerspiele oft spannender als schwarze Buchstaben auf weißem Grund. Lese-Apps lassen sich für die Leseförderung nutzen, wenn Kinder zum Beispiel Hinweistexte lesen müssen, um im Spiel ans Ziel zu gelangen.

Was ist Ihr Beweggrund, sich im Verein zu engagieren?
Im April vergangenen Jahres habe ich mir gesagt: Ich würde gern vorlesen. Dann bin ich auf das Konzept gestoßen, das es in Schwerin noch nicht gab und es hat mich überzeugt. Es ist schön, als Wegbegleiter für ein Kind da zu sein, seinen Rucksack ein bisschen leichter zu machen und Brücken zwischen den Generationen zu bauen.

Was ist Ihr liebstes Kinderbuch und warum?
Meine Mutter meint, es wäre „Max und Moritz“ gewesen und tatsächlich lese ich es gerade mit „meinem“ Lesekind. Ein anderes Buch, das ich gern vorlese, ist „Bei der Feuerwehr wird der Kaffee kalt“. Da geht es um Werte wie Hilfsbereitschaft und Zusammenhalt; es gibt verschiedene Charaktere, die gemeinsam ein Ziel verfolgen.

Interview: K. Haescher