Leute
Auf der süßen Seite des Lebens
Bei Bienen bekommt er Schmetterlinge im Bauch: Benjamin Petsch ist von Beruf Imker und die kleinen Insekten sind seine wichtigsten Mitarbeiterinnen. Er liebt ihre Intelligenz und ist fasziniert von der Aufgabenteilung, die sie innerhalb des Volkes übernehmen. Und natürlich ist es eine gute Zusammenarbeit, die Benjamin Petsch mit den Bienen verbindet: Der 36-Jährige sorgt dafür, dass es ihnen gut geht und die Völker heil über den Winter kommen, sie wiederum füllen die Honigwaben mit dem flüssigen Gold.
Darüber freuen sich die Besucher des Weihnachtsmarktes und der Höfischen Weihnacht im Schlossinnenhof, wo Benjamin Petsch auch in diesem Jahr seinen Honig verkauft: „Ich habe schon viele Stammkunden“, sagt er und rückt einmal mehr die Honiggläser zurecht. In den zurückliegenden Jahren hat sich der Tessenower als Imker einen Namen gemacht, manche Menschen stehen schon am ersten Markttag erwartungsvoll vor dem Verkaufstisch.
Dabei war der „schönste Job der Welt“, wie er ihn nennt, eine Zufallsentdeckung. Benjamin Petsch hatte eigentlich Wirtschaftswissenschaften studiert und mit dem Bachelor abgeschlossen. „Mein Anreiz war es zu verstehen, wie Ökonomie funktioniert und das hat sich auch als spannend erwiesen“, sagt er. Weniger spannend fand er dagegen die Vorstellung, sein komplettes Arbeitsleben in den vier Wänden eines Büros verbringen zu müssen. Nachdem der junge Mann eine Dokumentation über Bienen gesehen hatte, beschloss er, drei Völker anzuschaffen. Auf dem heimatlichen Hof in den Ruhner Bergen war genug Platz und Benjamin Petsch arbeitete sich in den folgenden Jahren gründlich ins Fachgebiet ein. Aus drei Völkern wurden 15, aus 15 dann 30, heute sind es 70. „Die Imkerei ist nichts, was man locker nebenbei tun kann“, sagt Benjamin Petsch und spricht dabei von einem Hype, der in den zurückliegenden Jahren gerade in Großstädten zu beobachten war. Den bedrohten Bienen zu helfen und dabei gleichzeitig die Natur zu retten, das erschien vielen als lohnendes Ziel, um sich zwei, drei Völker auf die Dachterrasse zu stellen. „Bienen sind aber Haustiere wie alle anderen Haustiere auch“, sagt Benjamin Petsch. „Das heißt, dass sie viel Arbeit machen und das nicht immer zu den angenehmsten Zeiten.“
Im Sommer zum Beispiel steht der 36-Jährige um 4 Uhr auf. Dann ist es im Bienenstock noch ruhig und er kann die Beuten umsetzen – zum Beispiel, wenn es zu einer neuen Weide geht. Wenn im Juni die Robinien in voller Blüte stehen, dann lockt der Nektar die Bienen mehr als alle Gänseblümchen und der Imker kann später die Sorte Akazienhonig auf seine Liste setzen. Dafür muss er den von den Bienen eingesammelten Nektar natürlich zuvor schleudern und abfüllen. Ende Mai geht es mit der Honigernte los und den ganzen Sommer über hat der Tessenower damit gut zu tun – wer gern am Strand liegt, sollte sich das mit der Imkerei also noch einmal überlegen. „Leidenschaft“ nennt Benjamin Petsch deshalb die wichtigste Eigenschaft, wenn es ums Imkern geht. Betrachtet er nur die blanken Zahlen, muss er er für sein Einkommen überdurchschnittlich viel arbeiten. Aber was ist mit Parametern wie dem Sonnenaufgang über dem Wald, dem Summen auf einer blühenden Wiese, dem Eins-Sein mit der Natur? Und mit den Kunden, die seinen Honig lieben, das Produkt zu schätzen wissen? Das alles sind Pluspunkte auf einer Berufsglück-Skala, die sich nicht nur wirtschaftswissenschaftlich ausrechnen lässt.
Nichtsdestotrotz profitiert Benjamin Petsch natürlich von seinen theoretischen Kenntnissen – auch bei der Vermarktung. Was im Sommer im Glas landet, muss spätestens im Winter unter die Leute. Das heißt für ihn wieder: früh aufstehen. „Aktuell um 5 Uhr, damit ich vor dem Weihnachtsmarkt noch die am Abend zuvor gegossenen Kerzen aus der Form nehmen kann“, sagt er. Die Lichter sind bei vielen Kunden sehr beliebt. Wenn sie abbrennen, duftet es dezent nach Honig und in Benjamin Petsch erwacht ein nostalgisches Gefühl. „Man knüpft damit an eine alte Tradition an, denn schon im Mittelalter wurden Kerzen aus Bienenwachs gezogen“, sagt der junge Imker.
Klar, dass es da viele Anknüpfungspunkte gibt, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Und auch die Kälte bei der Höfischen Weihnacht macht dem Naturliebhaber nichts aus: „Seit ich Imker bin, war ich nicht mehr krank“, sagt Benjamin Petsch. Das er auch seinen Kunden ein rundum gutes Gefühl anbieten möchte, zeigt eine Tafel an seinem Stand: „Wer Honig isst, füttert die Schmetterlinge in seinem Bauch“, steht in bunten Buchstaben darauf. „Das war im vergangenen Jahr ein beliebtes Fotomotiv“, erinnert er sich. Und hofft, dass seine Kunden auch dieses Jahr wieder ins Schwärmen kommen.
Katja Haescher