14.06.2023

Leo

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Der Zettel ist weg! Und: Ich bin mir ganz sicher, dass er genau hier lag! Wer hat solche Vorwürfe im familiären Umfeld nicht schon mal gehört. Immer ist etwas weg: die halbleere Brotdose, die wichtige Quittung, der Autoschlüssel. Eine Freundin von mir kann davon ein Lied singen. Meist entdeckt sie die Gegenstände, denen so leichtfertig die Existenz abgesprochen wird, innerhalb kürzester Zeit. „Etwas ist nur weg, wenn eine Mutter es nicht findet“, pflegt sie deshalb zu sagen.
Leo sagt ...
Überhaupt, meint sie, hätten Kinder und Eltern ein recht unterschiedliches Ordnungsempfinden. Was der einen Seite picobello erscheint, lässt die andere an glücklose Einbrecher denken, die trotz aller Mühe in Schränken und Schubladen nichts gefunden haben und dann in aller Eile abrücken mussten. Meine Freundin verzichtet deshalb auch auf unangemeldete Stippvisiten in der Studentenbude ihres Sohnes. Stattdessen teilt sie ihm ihre genaue Ankunftszeit mit, um dem Jungen Zeit zugeben, die schmutzige Wäsche unters Bett zu schieben und das benutzte Geschirr einzufrieren – dann schimmelt es nämlich nicht. Neulich besuchte sie ihren Sohn wieder einmal in seinem kleinen Reich und freute sich an seiner Erzählung darüber, wie gut er selbiges im Griff habe: Klar würde in einer Ein-Zimmer- Wohnung hier und da auch mal etwas herumstehen, aber wenigstens sei es sauber. Verstohlen wischte meine Freundin mit dem Finger über eine dicke Staubschicht und dachte an ihre Worte. Manchmal ist weg nämlich
gar nicht so schlecht.
Euer Museumslöwe
(notiert von Katja Haescher)