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Mit der Kettensäge
„Wir lassen uns nicht spalten!“ Der Mann mit dem Ledergesicht hat eben seine Kettensäge angeworfen und schaut kurz auf. Drang da ein Schrei durchs Rattern des Motors? Egal, weiter ans Werk. Jetzt wird gespaltet. Er hat die Ladys nicht grundlos im Keller festgekettet. Der Fiesling grinst …
Keine Angst, nur eine Horrorfilmszene. Aber an Splatter-Thriller muss ich immer denken, wenn ich das höre: „Wir lassen uns nicht spalten!“ Der Kontext verrät dann etwas anderes: Es geht um „die Gesellschaft“. Um Geimpfte und Ungeimpfte. Um Querdenker und Längsdenker.
Als ob „die Gesellschaft“ nicht längst in Fraktionen geteilt wäre: Raucher und Nichtraucher, Dortmund und Schalke, Sitz- und Stehpinkler. Diese herausragenden Beispiele stellen klar: Deutschland ist sowieso gespalten – und das macht nichts. Da kann der Ledergesichtige ruhig seine Kettensäge an den Nagel hängen.
„Wir lassen uns nicht spalten!“ Wer ist „wir“? Die Leute, die montags gern in großen Pulks durch die Stadt spazieren? Raucher? Sitzpinkler? Dortmunder? Keine Ahnung.
„Lassen“ – das Verb steht für Passivität. Jemand will etwas mit „uns“ machen. Wer denn? Spalten die „Wir lassen uns nicht spalten!“-Rufer nicht selbst? Oder versuchen es wenigstens? Schalke-Fans haben sich ihren Lieblingsklub doch auch selbst ausgesucht. Erstaunlich genug.
Selbst ich ließe mich äußerst ungern zerspalten – es hätte so was Endgültiges. Aber soll ich das dauernd ungefragt betonen?
Euer Museumslöwe
(notiert von Stefan Krieg)