14.06.2024

Leo

Meinungsvielfalt

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Einer meiner Freunde kaufte sich unlängst neue Schuhe. Die Freude daran währte allerdings nicht lange – genau genommen bis zu dem Moment, in dem er damit nach Hause kam und seine Frau den Deckel des Kartons lüftete. An den genauen Wortlaut ihrer Rede, sagt mein Freund, könne er sich nicht mehr erinnern. Es seien aber auf jeden Fall Wendungen wie „völlig unmöglich“, „spießig“ und „Altmännertreter“ darin vorgekommen. Er müsse jetzt schnell zum Schuhgeschäft und die Dinger umtauschen.

Leo sagt...

Mein vorsichtiges „Aber wenn sie dir doch gefallen“ wischte er mit einer Handbewegung beiseite. Dies würde sofort verraten, dass ich nicht verheiratet sei, meinte er nur. Mich brachte das ins Grübeln. Sollte die Ehe wirklich nicht die wünschenswerte Institution sein, als die sie so oft dargestellt wird? Ist es die Erklärung dafür, dass Junggesellen- und -gesellinnenabschiede häufiger im Delirium und seltener im Elysium enden? War die Autonomie zweier Individuen in der Symbiose des gemeinsamen Lebens bestenfalls eine Illusion? All das will ich einfach nicht glauben – bin ich doch trotz meines steinernen Herzens ein unverbesserlicher Romantiker. Und dass auch in der Ehe Raum für Meinungsvielfalt ist, bewies mir ein zufällig aufgeschnapptes Gespräch am Kuchenbüfett. Sie: „Möchtest du Himbeertorte?“ Er: „Nein, danke, mir ist heute nicht nach Kuchen.“ Sie: „Die haben auch Windbeutel.“ Er: „Ich möchte nichts Süßes.“ Sie: „Dann nimm doch Stachelbeer-Baiser.“ Was sonst.

Euer Museumslöwe
(notiert von Katja Haescher)