Leo
Hellseher
Ich gehe gern ins Museum. Ist bei mir sozusagen berufsbedingt – und lehrreich ist es auch. Steinzeitliche Splitter, Perlen und Kämme von den Slawen, Rechen-
maschinen aus dem Barock. Das führte mich unlängst zu der Frage, welche Artefakte aus dem 20. und 21. Jahrhundert wohl später mal in den Ausstellungskästen landen würden.
Werden unsere Nachkommen wissend nickend Tupperschüsseln beäugen und sich über unseren sorglosen Umgang mit Kunststoffen wundern? Werden sie Mobiltelefone anschauen, die schon heute schneller museumsreif sind als die Farbe Zeit hat abzublättern? Werden sie überhaupt einzelne Gegenstände mit uns verbinden oder doch nur einen großen diffusen Müllberg, den die Wegwerfgesellschaft produziert? Ich habe keine Ahnung, bin ja schließlich kein Hellseher. Und die Seherei macht ohnehin keinen Spaß. Wenn ich nämlich utopische Romane des 19. Jahrhunderts lese, muss ich jedes Mal feststellen, dass eigentlich alles schlimmer gekommen ist.
Apropos 19. Jahrhundert: Da ich ja hier schon ein bisschen länger sitze, hätte ich vor 100 Jahren durchaus einen Tipp wagen können, welche Erfindungen die Zukunft mal bereithalten wird. Ich höre mich murmeln: „Ich sehe, ich sehe“, um anschließend zu verkünden, dass es in deutschen Küchen einmal Gegenstände wie Tomatenstrunkentferner, Apfelentkerner und elektrische Currywurstschneider geben wird. Aber ehrlich Leute: Das hätte mir doch kein Mensch geglaubt.
Euer Museumslöwe
(notiert von Katja Haescher)