14.10.2013

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Aus alt machn Neues

Sorten aus Omas Garten erleben ein Comeback – SCHWERIN live testet neue Rezepte
Bei Bille Dietz entsteht im Handumdrehen die richtige Mischung.
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Erinnern Sie sich noch an Wrukeneintopf? Oder Schmorgurken? Oder an Teltower Rübchen? Was den Speiseplan von Eltern und Großeltern lange Zeit selbstverständlich bereicherte, zaubert vielen in den 1970er-Jahren oder später Geborenen im besten Fall ein paar verzogene Mundwinkel ins Gesicht. Die süßlichen Varianten mecklenburgischer Eintöpfe und Co. gehören für viele zu Kindheitserinnerungen, die bitte möglichst Erinnerung bleiben.
Doch mit dem wachsenden Bewusstsein gerade jüngerer Menschen und junger Familien für die Bedeutung regionaler landwirtschaftlicher Erzeugnisse wandelt sich zur Zeit auch die Wahrnehmung alter Gemüse- und Obstsorten. Rübchen, Wurzeln, Blätter, Knollen, Kohlköpfe gehören heute immer öfter wieder in die herbst- und winterliche Küche. Kein Wunder, sind sie doch zu einer Jahreszeit, in der das Land nahezu brach liegt, natürliche Lieferanten wertvoller Nährstoffe. Und auch wenn man noch nicht allerorten jedes Produkt in der Theke findet – mit ein klein bisschen Fantasie lassen sich aus all diesen „altbackenen“ Früchten fantastische Gerichte zaubern, die mit denen von annodazumal kaum noch vergleichbar sind.

Ein Menü aus drei Gängen steht auf der SCHWERIN-live-Karte. Zum Kochen gehen wir dorthin, wo man etwas von guter regionaler Küche versteht: in Das Martins in der Lübecker Straße. Im Restaurant von Sybille Dietz – von allen nur Bille genannt – gab es früher, als der Familienbetrieb Martins Bierstuben hieß und eine neblige Kneipe war, höchstens ne Bockwurst zum Getränk. Das ist heute anders. Die Chefin kocht selbst; in den hellen, freundlichen Gast-räumen, so hat es sich längst herumgesprochen, bekommt man gute Hausmannskost auf den Teller. Logisch, dass wir ihr Interesse wecken, als es um neue-alte Gerichte geht – also ab in die Küche und die Zutaten ausgepackt.

Eigentlich sollte es einen Portulak-Salat als Vorspeise geben, doch der war in der ganzen Stadt nicht zu kriegen. Die Suppe, die die Köchin stattdessen kredenzt, ist jedoch mindestens genauso originell: Rote Beete-Suppe mit Chili. „Ich lasse mich gern inspirieren“, sagt Bille Dietz, die ungewöhnliche Kombination sei  im Freundeskreis entstanden. „Bei mir gibt es eingelegte Rote-Beete-Kugeln“, erklärt sie. „Das ist die schnellere Variante und außerdem praktisch für alle, die sich vor dem Kochen der frischen Beete scheuen – dann wird nämlich oft alles sehr, sehr rot.“ Man gebe nun die Rote Beete mit Wasser, ein paar Möhrenscheiben und ein paar Kartoffelstücken in einem Topf – die Kartoffeln sorgen für die Bindung –, gebe etwa eine halbe Chili-Schote dazu, nach einer Stunde Köchelzeit wird das Ganze püriert, fertig. „Scharf!“ lautet das erste Urteil, aber auch „Lecker!“. Sahne zum Verfeinern, und schon ist die erste Koch-Etappe Geschichte.

Für das Hauptgericht stand auch die oft unterschätzte Steckrübe zur Wahl. Die Chefin im Das Martins verwandelt sie jedoch nicht in einen wässrigen Eintopf, sondern viel lieber in ein Steckrüben-Mus, das gern anstelle von Kartoffelbrei auf den Teller gefüllt werden darf. Wir entscheiden uns im Hinblick auf die schnelle Küche jedoch für den Mangold und wollen dieses Blattgemüse, das dem Spinat sehr ähnlich ist, in etwas Schmackhaftes verwandeln. Auch dazu braucht es nicht viel, noch dazu haben wir zwei Varianten in petto: als bloße Beigabe zu Nudeln oder Kartoffeln oder zusätzlich überbacken mit Käse als knuspriges Gratin.
„Mangold gibt es als weißstielige oder als rotstielige Pflanze“, berichtet die Köchin, geschmacklich unterscheiden tun sich beide Sorten nicht. Die in unserem Fall kleinen grünen Blättchen (es gibt sie auch in groß) werden nur kurz gewaschen und gezupft, schon landen sie mit etwas Zwiebeln, gern auch Knoblauch, Pinienkernen und je nach  Geschmack ein paar Schinken- würfeln in der Pfanne mit Olivenöl. Lange garen braucht das Ganze nicht – schon nach ein paar Schwenks ist die Pasta-Zugabe fertig. Wer mag, gibt ein bisschen Crème fraîche dazu. Die Nudeln sind schnell gekocht, es darf gegessen werden! Wer es noch etwas deftiger wünscht, schiebt seine Portion auf einem Teller oder in einer feuerfesten Form mit etwas Käse drüber für zehn Minuten in den heißen Ofen – und hat in Nullkommanix ein leckeres Gratin gezaubert.

Auch die Frucht, die unser süßer Abschluss werden soll, ist in Schwerin nicht ganz leicht aufzutreiben. Wahrscheinlich wächst sie nach wie vor eher in älteren Gärten, als dass sie beim Obsthändler auf dem Tisch liegt.
Bekannt ist sie eben auch nicht als Verzehr-Obst, sondern viel mehr als Grundlage von Gelees und Marmeladen: die Quitte. Doch die Suche ist letztlich erfolgreich, vor uns liegen zwei halbierte Prachtexemplare, denen wir mit einem scharfen Messer und nicht ohne Mühe jeweils einen Hohlraum zufügen. Dort hinein soll eine Quark-Nuss-Mischung gelangen, in Bille Dietz‘ Küche dauert die nur zwei, drei Augenblicke: Quark mit gehackten Walnüssen oder Kashewkernnen oder Haselnüssen und Honig mischen, die Köchin gibt noch ein paar Tropfen Saft aus seiner Orange dazu. „Wichtig ist aber, dass die Quitten-Hälften schon vor dem Befüllen etwa eine Viertelstunde bei 200 Grad im Ofen gebacken wurden, sonst werden sie nicht weich“, gibt die Köchin einen Tipp. Bleibt ein bisschen Zeit zum Plauschen: Eine schlechte Esserin sei sie stets gewesen, erzählt Bille Dietz, als sie in der Gastronomie ihrer Eltern und Großeltern aufwuchs. Und selbst kochen? Naja… „Das Interesse daran wurde bei mir tatsächlich erst in den 1990er-Jahren geweckt“, gibt sie zu. „Damals wollten wir aus Martins Bierstuben noch einmal
etwas Neues machen, und das Kochen gehörte dann dazu.“ In diesem Jahr arbeitet sie seit 25 Jahren in den Bierstuben alias Das Martins, seit 15 Jahren selbstständig. Das Restaurant bestimmt ihr Leben, sie lässt es gern zu. Was die Gäste mögen, weiß sie  längst in- und auswendig. Das spricht jedoch nicht dagegen, dass hier ab und an was Neues auf dem Tisch landet. „Ich experimentiere hin und wieder, wenn es die Zeit erlaubt. Dann gibt es zum Beispiel ein neues Süppchen als einen kleinen Gruß aus der Küche, um einmal zu gucken, ob es schmeckt.“

Die Quitten sind weich, der Endspurt steht bevor: Die Quark-Nuss-Mischung wird auf die Hälften verteilt, und das Ganz wandert bei etwa 200 Grad Oberhitze nochmals in den Ofen. Was dann herauskommt, mmh, schmeckt warm oder abgekühlt absolut fantastisch! Und es hat mit Küche von annodazumal zwar die Zutaten gemein – ansonsten aber nicht mehr allzu viel zu tun. SCHWERIN live wünscht einen guten Appetit!