Leute
Sie bringt Farbe ins Leben
Beim Anblick eines Sperrmüllhaufens beginnen ihre Augen zu leuchten. Wo andere Frauen sich Schuhe von Moschino wünschen, träumt sie vom neuen Schleifsystem von Makita. Und Konservendosen sind nicht nur Konservendosen, sondern wahlweise Übertöpfe, Besteckhalter und Blumenvasen: Undine Behrmann liebt es, Dingen eine neue Funktion zu geben. Die gebürtige Schwerinerin hat neben ihrem Haus in Rastow auch ihre Traumwerkstatt gefunden. „Ich habe den Carport gesehen und sofort gesagt: Da kommt sie rein“, erzählt Undine Behrmann. In dieser Werkstatt landet dann alles, was „reif für den Pinsel“ ist.
Unter diesem Usernamen postet die 35-Jährige bei Instagram Bilder ihrer Upcycling-Projekte – nicht im Sinne eines Nebenerwerbs, sondern im Interesse eines Austauschs mit Freunden und anderen Kreativen. „Mit dieser Arbeit schaffe ich mir einen Ausgleich zur Arbeit am Computer“, sagt Undine und fügt hinzu: „Außerdem bin ich nicht gut darin, Dinge wegzuwerfen.“
Die klassische Das-könnte-ich-irgendwann-nochmal-brauchen-Falle umgeht sie allerdings. Meist weiß sie nämlich von Anfang an, wozu sie leere Tomatengläser, ausgetrunkene Tetrapaks und durchgesessene Stühle nochmal gebrauchen kann. Mit Farbe besprüht und ein bisschen Makramee am Rand werden die Gläser zu Vasen im Vintage-Look. Und wer benötigt schon eine intakte Sitzfläche, wenn der Stuhl mit integriertem Pflanzgefäß in derselben auch als Blumenskulptur im Garten Platz finden kann?
Ein bisschen, sagt Undine, liegt ihr Hang zum Handwerken wohl in der Familie. „Mein Opa war Tischler und hatte im Keller seiner Neubauwohnung auf dem Dreesch immer eine kleine Werkstatt“, erinnert sie sich. Wenn sie als Kind bei den Großeltern war, ging sie mit ihrem Opa gern dorthin: „Er hat mir gezeigt, wie anders eine Kommode aus Kiefernholz aussehen kann, wenn man sie weiß lasiert und andere Griffe anschraubt. Diesen Schrank habe ich heute immer noch.“ Damals, sagt Undine, habe sie in der Werkstatt natürlich eher zugesehen. Heute bedient sie Schleifmaschinen, Stichsäge und den alten Standbohrer aus Opas Keller ganz selbstverständlich. Auch die Werkbank hat sie von ihm geerbt, wenngleich Undine natürlich eines fehlt: „Ich würde meinen Opa manches Mal so gern um Rat fragen können.“
Ansonsten gilt: Selbst ist die Frau. Weil die eigene Wohnung inzwischen mit individuell gestalteten Möbeln bestens ausgestattet ist, kommen Undines Freunde in den Genuss ihrer Kreativität. So hat sie zum Beispiel unlängst eine Gartenbank mit DDR-Vergangenheit aufgefrischt und damit zwei Menschen eine große Freude bereitet. Das sind Momente, in denen Undine merkt, dass ihre Arbeit mehr ist als eine neu gestrichene Bank.
Und apropos Freude: Zu Undines Haushalt gehört auch Hündin Mae, die sie und ihr Partner vor einigen Jahren aufgenommen haben. Den Mischling „mit etwas Labrador drin“ holten die beiden über einen Tierschutzverein aus dem Ausland, um ihm dort ein Dasein als Straßenhund zu ersparen. Vermutlich freute Mae sich auch, als das Paar vor drei Jahren von Hamburg nach Rastow zog: weniger Asphalt unter den Pfoten. In die Hansestadt hatte es Undine zuvor beruflich verschlagen. Sie arbeitet dort als People-and-Culture-Managerin, ist also in der Personalentwicklung tätig. Für den Job wird in erster Linie ein PC gebraucht, so dass viel im Home-Office geht – also auch von einem Schreibtisch in Rastow.
Hier ist das junge Paar gut angekommen. Undine dehnt ihre Leidenschaft für Zimmerpflanzen langsam auf den Garten aus, ihr Freund spielt beim FC Rastow 07 Fußball. Und sogar dort war schon etwas reif für den Pinsel: Der Container am Sportplatzrand, in dem sich die Fußballer umziehen, erhielt von der Upcycling-Spezialistin einen neuen Anstrich mit Logo und Vereinsfarben. Sport ist auch ein gutes Stichwort, wenn es um eine weitere Leidenschaft von Undine geht. Sie läuft, spielt Volleyball, praktiziert Yoga – und steigt seit einiger Zeit regelmäßig in den Boxring. Fitness-Boxen gehört zu den Angeboten beim SV Teutonia Rastow, übrigens angeleitet von Trainerlegende Otto Ramin. „Unter den Boxern sind wir nur zwei Frauen und trainieren normalerweise gemeinsam. Aber in der Urlaubszeit war Otto mal drei Wochen lang mein Sparringspartner – da war ich nach 30 von 90 Minuten schon reif für die Dusche“, erzählt Undine.
Sie probiert gern Dinge aus – ganz egal, ob es ums Boxen oder die Verwertung von alten Metalltischen geht. Die Leidenschaft fürs Upcycling hat dabei noch eine weitere Dimension: Sie bewahrt Dinge, die nochmal oder anders genutzt werden können, vor der Tonne. „Warum also Deko einkaufen, wenn man die Sachen schon hat?“, fragt die Heimwerkerin mit Blick aufs kommende Osterfest. „Denn oft“, sagt Undine, „brauchst du Sachen nur anzumalen und dann sind sie richtig schön.“
Katja Haescher