Leute
Zwischen Markt und Markusplatz
Die Masken bedecken das ganze Gesicht. Nichts ist zu sehen – außer den leuchtenden Augen. Denn wenn Conny und André Kobelt in Kostümen stecken, sind sie in ihrem Element. Ob als Hexe und Teufel, Elsa und Olaf, Schöne und das Biest: Die beiden lieben es, in andere Rollen zu schlüpfen. Deshalb wollen sie in diesem September auch bei den Venezianischen Tagen in Schwerin dabei sein und in opulenten Gewändern ins Getümmel tauchen.
Kostüme, Masken, Opulenz – das klingt gut, aber wer hat schon auf Anhieb eine solche Robe im Kleiderschrank? Und wie kommt man überhaupt auf so eine Idee? Conny und André Kobelt kennen Fragen wie diese. Bei ihnen begann die Begeisterung für den venezianischen Karneval in einem Drachenboot. André paddelt bei den Schweriner „Wikingern“ und flog 2019 zusammen mit dem Team zur Vogalonga nach Venedig. An dieser Regatta dürfen ausschließlich Boote teilnehmen, die mit Muskelkraft bewegt werden. Über 30 Kilometer geht es dabei vom Markusplatz an Murano und Burano vorbei durch den Canal Grande zurück zur berühmten Piazza. Für André Kobelt ein tolles Erlebnis, für das er sich sogar zum ersten Mal in ein Flugzeug traute. Zusammen mit seiner Frau erkundete er bei dieser Gelegenheit auch die Lagunenstadt. „Wir waren begeistert von den Masken und Kostümen“, erinnert sich Conny Kobelt. Die Anzahl venezianischer Gewänder im Schrank lag zu diesem Zeitpunkt noch bei Null.
Dann kamen 2023 die ersten Venezianischen Tage in Schwerin. „Als wir davon lasen, war uns gleich klar, dass wir dabei sein wollten“, sagt Conny. Die ersten Kleidungsstücke: schwarz-grüne Gewänder mit Rüschen, Federn und eingenähten Lichterketten. Kobelts kauften die Kostüme und veränderten sie dann. Conny versteht sich perfekt aufs Häkeln, André ist besser an der Nähmaschine. „Ich habe das Nähen bei meiner Oma gelernt. Auf einer schönen alten Tretmaschine, mit der ich immer noch am besten zurechtkomme“, sagt er.
Schließlich das Event, fast 300 Kostümträger, gut gelaunte Zuschauer, italienisches Flair. „Wir haben viele Leute aus der Szene kennen gelernt“, schwärmt Conny. Paul zum Beispiel, einen Londoner Fotografen, der nach Schwerin gekommen war, um Bilder von dem Fest zu machen. Wiedergetroffen haben die beiden ihn im vergangenen Jahr in Venedig. Denn nach dem Auftakt in Schwerin war klar, dass Conny und André auch den echten venezianischen Karneval erleben wollten. Ihr Urteil: der reine Wahnsinn! Das gilt im positiven und manchmal auch im negativen Sinne. Denn wenn Menschen sich für Fotos einfach zwischen das Paar drängeln, die beiden umfassen und am Kostüm zerren, zerrt das auch an den Nerven. „Die Kostüme sind ja sehr empfindlich, wir fassen sie zum Beispiel nur mit Handschuhen an“, sagt André. Hier wünschen sich beide ein bisschen mehr Distanz. Und eins ist André dabei klar geworden: „Ich möchte nie ein Star sein!“ Immerwährende Aufmerksamkeit, für 20 Meter zwei Stunden brauchen, weil alle fotografieren wollen, das ist manchmal auch anstrengend. Trotzdem macht es beiden unglaublich viel Spaß.
Und apropos Star: Für viele Kinder sind Conny und André das längst. Als zum Beispiel während der Corona-Pandemie das Von-Haus-zu-Haus-Wandern zu Halloween ins Wasser fiel, drehte das Paar den Spieß einfach um. Als Hexe und Teufel verkleidet zogen Conny und André durch Lützow und lieferten den Lütten mit sicherem Abstand frei Haus Süßes ohne Saures. „Seitdem machen wir das immer und die Kinder warten schon“, sagt Conny.
Die beiden wohnen seit einigen Jahren in Lützow, im benachbarten Renzow arbeitet André als Hausmeister in der Kita. Für welche Figuren die Kleinen schwärmen, weiß er deshalb ganz genau. Und weil Conny lange in der Schweriner Singakademie gesungen hat und noch heute in der Kantorei der Paulskirche singt, schlüpft sie bei Veranstaltungen nicht nur in die Rolle von Eiskönigin Elsa, sondern singt auch deren Lied. André begleitet sie als Schneemann Olaf. Wahlweise ist er aber auch Osterhase, Weihnachtsmann oder mal der Grinch. Als Letzterer hatte er auf dem Hamburger Weihnachtsmarkt großen Erfolg.
Und was die eingangs gestellte Frage nach den Roben im Kleiderschrank betrifft: Natürlich hängt da inzwischen nicht nur eine. So kommt es, dass Conny und André ihre ersten venezianischen Karnevalsgewänder, die in Schwerin ihre Premiere hatten, für die Schaufensterdekoration im Kaufhaus Kressmann ausleihen. Es sind ja nach genug andere da – 20 bis 25 Kostüme aller Art, wie Conny vorsichtig schätzt. Aktuell arbeitet André noch an einem ganz besonderen Kleid. Und wenn er es bis zum September nicht schafft, ist es auch kein Problem: Der nächste Karneval in Venedig kommt bestimmt.