13.04.2023

Leute

Schlossfreundn auf Zeitreise

Immer mit Freude dabei: Berna Bartel erhielt im vergangenen Jahr die Ehren- nadel für besondere Verdienste im Ehrenamt in MV.
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Berna Bartel leitete lange das Schlossmuseum und führt Besucher durch Schwerins Wahrzeichen

Wie viele Reisegruppen Berna Bar- tel schon durchs Schweriner Schloss begleitet hat – wer weiß. Es ist ihr auch nicht wichtig, ob die meisten oder die außergewöhn- lichsten Führungen auf ihr Konto kommen – Superlative kann sie nicht leiden. Wichtig ist ihr dage- gen, dass sie interessierte Menschen mit in die Schweriner Geschichte nehmen kann – und das seit 45 Jahren.

„Die Arbeit im Schloss war für mich ein Glück“, sagt Berna Bar- tel. 1978 bekam die studierte Kul- turwissenschaftlerin die Stelle der Besucherbetreuerin im damals noch sehr kleinen Schlossmuseum. „1974 war der Thronsaal saniert worden, 1976 gab es erstmals Öff- nungszeiten und 1978 reichten die vom Band abgespielten Informati- onen nicht mehr aus, um das Inte- resse der Gäste zu befriedigen“, er- innert sie sich an die Anfänge. Drei Räume gab es zu sehen: den Thron- saal, die Ahnengalerie, die Schlös- sergalerie. Im Laufe der Jahre ka- men immer mehr hinzu, so dass sich das Museum zur Wendezeit fast schon in heutiger Größe prä- sentierte.

Das Jahr 1990 brachte dann einen ersten Besucherrekord: 300.000 Gäste besichtigten die historischen Räume, darunter viele aus dem Westen Deutschlands, die jetzt den „fremden“ Teil des Landes erkun- deten. Und während sich die Mu- seumsmitarbeiterinüberdiesesIn- teresse freute, ärgerte sie sich doch darüber, dass einige dieser Besu- cher besser wissen wollten, wie es im Osten gewesen war: Dass das Fürstenhaus keine Rolle spielen durfte und deshalb das Schloss- museum klein gehalten wurde. Dass ausschließlich Arbeiterkinder Abitur machen durften. „Dann hätte ich ja keins gehabt“, sagt Ber- na Bartel und lacht ihr anste- ckendes Lachen. Ihr Vater arbeitete als Elektroingenieur, alle vier Kin- der studierten. „Meine Eltern stammten aus Hamburg und ha- ben lange überlegt, ob sie dorthin zurückgehen. Mein Vater hat sich immer wieder beworben, den Ge- danken aber später verworfen. Als Alleinverdiener hätte er die Familie wohl kaum durchbringen, ge- schweige denn uns allen diesen Bil- dungsabschluss ermöglichen kön- nen“, sagt die heute 80-Jährige.

Sie machte nach dem Abitur zu- nächst eine Lehre als Gärtnerin, weil sie genug von Theorie hatte. Später arbeitete sie als Kulturins- trukteurin bei der NDPD, kehrte als Studentin zu den Büchern zu- rück und zog schließlich mit der Stelle im Schloss das große Los. 26 Jahre lang begleitete Berna Bartel Aufbau und Entwicklung des Schlossmuseums, wurde dessen Leiterin. Als sie in Rente ging, fragte ihr damals vierjähriges En- kelkind, ob das Schloss nun, ohne Oma, abgerissen werden müsse. Musste es zum Glück nicht – und Berna Bartel ist dem Wahrzeichen bis heute treu geblieben. Nochimmer begleitet sie als Gästeführerin Besucher durch die Museumsräu- me und die Gärten, zieht dabei Fä- den vom Gestern ins Heute. Das tut sie seltener mit Jahreszahlen, die viele ohnehin gleich wieder ver- gessen, als mit Geschichten. Und kommen dann doch mal Zahlen ins Spiel, dann solche wie die 15: Auf so viele Grad Celsius schafften es die hinter Schmucktüren ver- steckten Öfen, den Thronsaal zu erwärmen – ein Empfang beim Großherzog war keine kuschlige Angelegenheit.

Apropos Großherzog: Berna Bartel kann sich gut an die Mutter erin- nern, die vom Interesse ihres Sohnes am preußischen Herrscher- haus berichtete und fragte, ob ernicht auch mal im Schloss eine Führung machen dürfte. „Dann soll er kommen, aber er muss sich auch für das Mecklenburger Fürs- tenhaus interessieren“, sagte die Museumsleiterin. Mathias Schott war damals gerade 18 – heute ist er Vorsitzender des Vereins der Schweriner Schlossfreunde und verkörpert Großherzog Friedrich Franz II. bei vielen Gelegenheiten. Natürlich ist auch Berna Bartel Gründungsmitglied im Schlossver- ein. In dessen Tanzgruppe tanzt sie mit anderen zu alter Musik, die der Großherzog noch gekannt haben könnte. Jahrelang lag auch die Vor- bereitung des Schlossfestes maß- geblich in ihren Händen. Bei die- sem Ereignis wird die Zeit für ei- nen Tag ins 19. Jahrhundert zu- rückgedreht und Besucher erleben die Schweriner Residenz in fürst- lichem Glanz – im Veranstaltungskalender der Stadt hat das Schloss- fest eine Premiumposition.

Wenn Berna Bartel gerade nicht ins 19. Jahrhundert reist, dann ist sie mit dem Fahrrad und ihrem kleinen Auto unterwegs. Gerade neulich fuhr sie nach Amsterdam zur Opernaufführung eines Freun- des. „Zwei Länder, habe ich immer gesagt, möchte ich unbedingt se- hen: Schweden und Japan“, erzählt sie. Beide Wünsche hat sie sich er- füllt, wobei hinter Japan einer die- ser glücklichen Umstände steckte, die sie in ihrem Leben immer wie- der ausmacht. „1988 hatte das Schweriner Museum eine große Ausstellung holländischer und flä- mischer Malerei und ich durfte die Etappe in Hiroshima sechs Wo- chen lang begleiten“, erinnert sich Berna Bartel – genauso wie daran, dass ihr vor Aufregung die Knie zitterten, als sie in Berlin über das Rollfeld zum Flugzeug ging: „Zweifelnd an meinen fremd- sprachlichen Fähigkeiten dachte ich damals, worauf hab ich mich bloß eingelassen. Im Anschluss war ich dankbar für die interessante Zeit und das bin ich bis heute.“ Denn auch wenn sie viel über die Vergangenheit erzählt: Zu Hause ist Berna Bartel in der Gegenwart mit all ihren Herausforderungen.

Katja Haescher