13.10.2023

Leute

Mit Sprache Identität bewahren

Interview "Köpfe aus Schwerin" mit Claus Oellerking
Claus Oellerking (65) engagiert sich beim Verein Miteinander-Maan und hat „Vorlesen International“ ins Leben gerufen.
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In wie vielen verschiedenen Sprachen können Sie auf Anhieb das Wort „Miteinander“ sagen?
In sechs. Auf Deutsch, Portugiesisch, Spanisch, Türkisch, natürlich auf Arabisch – maan, miteinander ist der Name unseres Vereins – und als Norddeutscher auch auf Plattdeutsch.

Vorlesen International findet am 22. Oktober ab 14 Uhr im Café des Mecklenburgischen Staatstheaters statt – inzwischen zum 6. Mal. Wie entstand die Idee und wie ist die Resonanz – auch wenn man vielleicht das Meiste nicht versteht?
2017 habe ich mir die Ausländerstatistik Schwerins angeschaut und festgestellt, dass Menschen aus mehr als 100 Nationen in der Stadt leben. Es gibt also eine Buntheit aus vielen verschiedenen Kulturen, die man Schwerin gar nicht zutraut und die nicht auf den ersten Blick erkennbar ist. Mein Ziel war, diese Buntheit sichtbar und erlebbar zu machen und das schnell und ohne großen Aufwand – das ist der Hintergrund der Idee eines Vorlesens in verschiedenen Sprachen.  Wer Lust hat, mal in einer andere Sprache hineinzuhören und sich am Klang zu erfreuen, ist bei uns richtig. Und weil der Text hinterher nochmal auf Deutsch vorgelesen oder inhaltlich zusammengefasst wird, kann auch jeder folgen. Das Entscheidende ist für mich ohnehin, dass die Menschen ausgehend von den gelesenen Texten miteinander ins Gespräch kommen. Vor einigen Jahren war es mal zum Thema Heimat – zum Beispiel, wie es ist, wenn man sie verliert – das war ungeheuer spannend. Die Resonanz ist gut, mir persönlich aber zu niedrig. Ich würde sagen, sie passt zu Schwerin.

Welche Bedeutung hat es für Menschen, die Sprache des Herkunftslandes zu pflegen?
Ich habe in Brasilien gearbeitet, war längere Zeit in New York und Johannesburg und bin immer wieder auf deutsche Minderheiten gestoßen. Die Herkunftssprache war für alle kolossal wichtig für die Bewahrung ihrer Identität. Menschen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, geht das genauso. Auch aus anderen Gründen halte ich es für bedeutsam, neben dem Erlernen der deutschen Sprache auch die Herkunftssprache zu pflegen – für diejenigen, die irgendwann wieder zurückwollen. Während der Jugoslawienkriege kamen Menschen hierher, die lange, manchmal zehn Jahre, in Deutschland lebten. Ich war damals Lehrer und Schulleiter und weiß, dass viele Kinder mit ihren Eltern in Länder zurückgeschickt wurden, in denen sie nicht einmal die Straßenschilder lesen konnten. Außerdem ist es ein großes Potenzial, wenn Menschen ihre Muttersprache nicht nur sprechen, sondern darin auch sicher schriftlich darin kommunizieren können. Dieses Potenzial sollten wir nicht verschenken und deshalb bieten wir über unseren Verein „Miteinander – Maan“ zum Beispiel muttersprachlichen Unterricht in Arabisch an.

Welche Projekte innerhalb des Vereins liegen Ihnen besonders am Herzen und warum?
Die Sprachen natürlich – ich glaube, das ist schon deutlich geworden. Außerdem habe ich einen Podcast zusammen mit Andreas Lußky und engagiere mich für ein Projekt, in dem es um die berufliche Bildung von Frauen in Uganda geht. Dafür arbeiten wir mit einer NGO in dem afrikanischen Land zusammen und sind selbst regelmäßig vor Ort.

Was ist für Sie persönlich der wichtigste Grund für das Engagement im Verein?
Ich glaube, dass wir Menschen mehr gemeinsam haben als uns trennt. Das erlebe ich immer wieder und das gebe ich auch gern weiter. Interview: Katja Haescher