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Im Bann des Frauenschuhs
Cattleya, Coelogyne, Dendrochilum: Wer Lothar Victor Klemt und Ramona Kostial zuhört, lauscht einem Expertentalk. Die beiden gehören zur Schweriner Orchideengruppe und stehen mit Frauenschuh & Co auf vertrautem Fuß. Sie sind hingerissen von den oft so opulenten Blüten, den unzähligen Formen und manchmal auch den Launen dieser Pflanzengattung.
Lothar Klemt hat die Gruppe gegründet. Der Schweriner ist von Haus aus Zierpflanzengärtner, studierte später in Erfurt Garten- und Landschaftsbau und führte schon zu DDR-Zeiten eine Gärtnerei. „Von meinem Onkel aus der Lüneburger Heide bekam ich damals die ersten Orchideen zugeschickt und schnell hatte sich das in der Stadt herumgesprochen“, erinnert er sich. „Die Blüten waren noch winzig klein, da steckten schon Etiketten mit den Namen derjenigen im Topf, die sie bestellt hatten.“
Seit dieser Zeit ist er den fragilen Schönheiten treu geblieben. In seinem Gewächshaus finden sie ein ideales Klima und gedeihen auch auf den Beeten in Lothar Klemts Garten. Da schien es fast klar, dass in den Jahren mit dem Wissen auch die Lust am Austausch mit anderen Orchideenfreunden wuchs: 2010 wurde er Mitglied der Hamburger Gruppe der Deutschen Orchideengesellschaft, 2016 organisierte er eine Orchideen-Ausstellung mit Fachvorträgen in Schwerin und einen Monat später ging die Schweriner Orchideengruppe mit zehn Mitgliedern an den Start.
Ebenfalls Gleichgesinnte in ihrem Hobby suchte Ramona Kostial. Die Schwerinerin hat einen grünen Daumen und ein Herz für Pflanzen. „Ich habe im Supermarkt immer die Phalaenopsis aufgekauft, die kurz davor waren einzugehen“, sagt sie. Jedes Mal versuchte sie, die Pflanzen zu retten und bald schon war ein ganzes Zimmer in der Wohnung von Orchideen besetzt. Da in der Wohnung aber auch Katze Uschi Anspruch auf Fensterbretter erhob, wurde Ramona Kostials Sammlung zunehmend exklusiver. Inzwischen widmet sie sich dem Frauenschuh „Pinocchio“, dessen becher- und schmetterlingsförmige Blüten in mehreren Farben leuchten. Die Pflanze wird umgangssprachlich auch als Revolverblüher bezeichnet: Ist eine Blüte verwelkt, „schießt“ die nächste nach und die Orchidee bleibt immer ansehnlich. An den Blüten kann sich Ramona Kostial gar nicht sattsehen. „Ich liebe Pflanzen, hatte zum Beispiel auch 2009 in Schwerin eine Buga-Jahreskarte und habe damals auch das Knabenkraut an Adebors Näs entdeckt.“
Mit dieser Begeisterung kam ihr der Orchideenverein gerade recht. Dessen zwölf Mitglieder treffen sich einmal im Monat, unter anderem zu Fahrten und Vorträgen. Im April lud die Gruppe zum ersten Orchideen-Umtopftag ein und konnte sich über eine gute Resonanz freuen. Ob die Spezialisten vielleicht auch einen Tipp für die Orchideenpflege auf Lager haben? Na klar: Die Pflanzen sollten auf der Ost- oder Westseite der Wohnung stehen und nur einmal in der Woche getaucht oder gegossen werden. „Orchideen blühen, wenn man sie etwas vernachlässigt“, sagt Ramona Kostial. „Der Mangel ist für die Pflanze ein Reiz, sich zu vermehren – für alle Fälle.“
Allerdings: Will der Gärtner in die Vermehrung der Orchideen eingreifen, dann zeigen sich die Pflanzen kapriziös. Orchideensamen ähnelt einem feinen Staub, der mit sterilen Handschuhen in einer Reinraumbank auf Nährböden gebracht werden muss. „Kommt das empfindliche Saatgut mit Bakterien in Kontakt, ist alles verdorben“, erklärt Lothar Klemt. Seine im Garten stehenden Orchideen bestäubt er mit der Hand, um die Sortenreinheit zu erhalten: „Da muss ich den Bienen zuvorkommen.“
Beide Orchideenfreunde sagen übereinstimmend, dass sie bei der Beschäftigung mit den Pflanzen wunderbar abschalten können. Ramona Kostial hat neben dem grünen Daumen auch noch ein Händchen fürs Kochen und Backen, so dass sie Veranstaltungen wie den Umtopftag kulinarisch ausstattet. Gemeinsam mit ihrem Mann bewirtschaftet sie einen Schrebergarten, aus dem die Beeren im Sommer schnurstracks in die selbstgemachten Kuchen und Marmeladen wandern.
Lothar Klemt wiederum lässt den eigenen Garten gern auch mal eine Weile allein, um durch die schönsten Ecken der Welt zu reisen. Dabei reizt es ihn besonders, Pflanzen in freier Wildbahn zu entdecken, die er sonst nur aus dem Gewächshaus kennt. In einigen Wochen geht es wieder los: über den Pan-American Highway von Alaska nach Argentinien. Und während seine Tochter die organisatorischen Fäden in den Händen hält, hat Lothar Klemt auf der Karte bereits die Sehenswürdigkeiten markiert: Vorkommen von Orchideen.
Katja Haescher